Box-Legenden von einst und heute

Treffen mit Ulli Wegner, Arthur Abraham sowie Schwerins und Wismars Box-Assen  

Box-Legenden

Legendär ging es am 3.September im Filmbüro M-V in Wismar zu. Box-Größen von einst und heute gaben sich ein Stelldichein der besonderen Art.

Zur Filmvorführung des Filmes „Es geht um alles“ weilten auch Trainer Ulli Wegner und sein Schützling, Weltmeister Arthur Abraham, in der Hansestadt.
Und da Wismar nur einen „Katzensprung“ von Schwerin entfernt ist, kamen natürlich auch die Schweriner Box-Asse, u.a. Richard Nowakowski, der Silber 1976 in Montreal bzw. Bronze 1980 in Moskau gewann, der Europameister von 1985 Dieter Berg und der Olympia-Zweite von 1988 und Olympiasieger von 1992, Andreas Tews. Ein wenig Wehmut kam schon auf, wenn man daran denkt, dass das Gold von Andreas Tews die bislang letzte Olympia-Medaille eines Boxsportlers aus M-V ist …

A.AbrahamDoch im Mittelpunkt des Abends stand zweifellos Trainer Ulli Wegner sowie sein Weltmeister Artur Abraham. Und insbesondere Ulli Wegner hat ja in Mecklenburg-Vorpommern ja auch eine Heimat.

Schon die unmittelbare „sportliche Wiege“ seiner Erfolge befindet sich in Vorpommern. Als er 1945 mit seinen Eltern aus Stettin fliehen musste, fanden die Wegners in Penkun zunächst eine neue Heimat. Dort spielte der junge Hans-Ullrich in der Schüler-Mannschaft Fußball. Später absolvierte er dann eine Lehre als Landmaschinen-Schlosser in Anklam und war auch dort ein aktiver Fußball-Spieler.

Sein Wechsel zum Boxsport war eher „Zufall“. Im mecklenburgischen Kühlungsborn war Hans-Ullrich Wegner begeisterter Zuschauer bei Boxkämpfen und entschloss sich, selbst zu boxen. Als 19-jähriger kam er dann zum ASK Rostock, dem er bis 1963 „treu“ blieb. Weitere boxerische Stationen als Aktiver waren Erfurt und Gera.

Danach begann die „zweite Laufbahn“ des Hans-Ullrich Wegner. War er als aktiver Boxer nach eigenem Bekunden eher „Mittelmaß“, so wurde er als Trainer absolute Weltklasse. Seine Bilanz ist dabei schon einzigartig, nur einige Höhepunkte im Überblick: 25 Medaillen (!) bei internationalen Amateur-Meisterschaften, wie Olympia, EM oder WM, gewann Wegner mit seinen Schützlingen. Bei Olympia 1996 führte er Oktay Urkal (Silber) und Thomas Ulrich (Bronze) zu Medaillen-Ehren
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Auch als Trainer bei den Profis blieb Hans-Ullrich Wegner in der Erfolgsspur. So wurden Sven Ottke, Markus Beyer oder Arthur Abraham unter seiner Ägide Welt-Champions. Und wie lange wird die Ära des Hans-Ullrich Wegner noch dauern ?! „Ich kann meine Jungs nicht im Stich lassen. Wenn mich alle nicht mehr leiden können, erst dann höre ich auf !“, so der boxsportliche Tausendsassa Hans-Ullrich Wegner.

Frage: Herr Wegner, auch in Wismar haben Sie ja eine große Fan-Gemeinde. Begeistert von der Stadt ?

U.Wegner, P.Siemons, A.AbrahamUlli Wegner: Ja, es ist eine tolle Veranstaltung, bestens organisiert. Die Stadtrundfahrt in der Limousine war schon ein  echtes Erlebnis, aber auch die Fahrt mit der Poeler Kogge – unbeschreiblich schön. Ebenfalls der Empfang und die Betreuung durch das Filmbüro waren vorbildlich. Hier wurde liebevolle Gastfreundschaft bewiesen. Aber, was mir ganz besonders wichtig ist, man trifft alte Weggefährten, Freunde und Mitstreiter. Man kann in Erinnerungen schwelgen und über Erlebtes diskutieren. Der Tag hier in Wismar war schon ein ganz besonderer !

Frage: Schwerin und Wismar waren Box-Hochburgen, sind erst wieder allmählich im Kommen. Die Box-Staffel des PSV Wismar kämpft in der zweiten Bundesliga. Wie ist Ihre Meinung zum Box-Standort Wismar ?

A.CravaackFiete von Thien (ganz rechts)Ulli Wegner: Boxen und Wismar, das bedeutet vor allem Boxen und Fiete von Thien. Was dieser Mann für den Boxsport hier in Wismar, aber auch für ganz Mecklenburg-Vorpommern geleistet hat, kann man gar nicht genug anerkennen. Zu Recht ist er schon zu Lebzeiten eine Box-Legende. Er hat es in den letzten Jahrzehnten verstanden, eine Reihe von Talenten für den Boxsport zu begeistern bzw. sie zu fördern. Das ist schon einzigartig. Fiete von Thien hat viele Heranwachsende praktisch von der Straße geholt, ihnen eine sinnvolle Aufgabe gegeben, sich sportlich zu beweisen. Was auch größte Hochachtung verdient, ist sein Engagement bei der Integration von Migranten, die hier in Deutschland eine neue Heimat fanden. Er gab Ihnen durch den Boxsport ein neues Ziel, er hat ihnen gezeigt, dass sie sich fair „durchbeißen“ müssen.

Frage: Bei Olympia in Peking lief es im Boxen, wie in einigen anderen Sportarten, nicht gut für die deutschen Athleten. Ein Argument ist, dass die Profi-Boxställe zu schnell die Talente an sich binden. Stimmen Sie darin überein ?

Ulli Wegner: Das ist doch nur eine billige Ausrede, um die Verantwortung von sich zu schieben. Richtig ist, dass es strukturelle Probleme bei der Erkennung, Förderung und Entwicklung von Talenten gibt. Den jungen talentierten Boxsportlern wird doch eine unzureichende soziale Perspektive geboten, insbesondere nach ihrer Zeit als aktiver Faustkämpfer. Man kann es den jungen Sportlern doch nicht verdenken, wenn sie versuchen, sich über das Profi-Boxen eine soziale, finanzielle Perspektive zu schaffen. Ansonsten wird ihnen dazu doch keine Alternative aufgezeigt. Ein klasse Talent wie Marcel Meyerdiercks aus Wismar bekam doch bei den Amateuren nie eine echte Chance. Dass er nach seiner umstrittenen Nichtberücksichtigung für die WM im letzten Jahr zu den Profis abwanderte, kann man ihm schlecht vorwerfen. Nein, entweder es ändert sich Grundlegendes bei der Förderung und sozialen bzw. beruflichen Absicherung der sportlichen Talente, auch im Boxen, oder die Misere geht weiter.

Frage: In wenigen Tagen beginnen die Paralympics in Peking. Schauen Sie sich die Wettkämpfe auch an ? Wie ist Ihre Meinung zu den Paralympischen Spielen ?

U.Wegner (2.v.l.) und MitstreiterUlli Wegner: Dass es eine solche Sportveranstaltung für die Athletinnen und Athleten mit Handicaps gibt, ist fantastisch. Ihnen wird auf diese Weise Lebensfreude vermittelt, sie können sich und ihrem Umfeld beweisen, dass auch sie zu Höchstleistungen imstande sind. Nicht vergessen sollte man, dass andere, die ebenfalls mit Handicaps zu kämpfen haben, ihren Lebensmut nicht verlieren, sich animiert fühlen, sich auch sportlich zu engagieren. Man kann dem Internationalen Paralympischen Komitee, das ja engstens mit dem Internationalen Olympischen Komitte kooperiert, gar nicht genug danken, dass es solche Weltspiele für die Athletinnen und Athleten mit Handicaps bereits seit Jahren so erfolgreich organisiert. Gerade die Athleten mit Handicaps entfalten eine außerordentliche Vorbildwirkung, vor diesen Sportlern habe ich größten Respekt.

Abschließende Frage: Andreas Dittmer, der erfolgreiche Kanute aus Neubrandenburg, wurde gerade verabschiedet. Für sie als Box-Trainer mit Herz und Leidenschaft auch ein Großer ?

Ulli Wegner: Aber natürlich ! Sich für vier Olympische Spiele qualifiziert zu haben und dreimal Olympiasieger zu werden, jede Menge Weltmeister- und Europameistertitel sowie Weltcup-Siege zu erkämpfen, das kann nur ein echter Champion. An ihm können und sollten sich die jungen Talente ein Beispiel nehmen.

Exkurs: Schwerin – die Box-Hochburg in Mecklenburg-Vorpommern

 
Boxen in WismarDie Boxsportler des SC Traktor Schwerin waren seit den späten fünfziger Jahren des 20.Jahrhunderts bei europäischen Titelkämpfen für eine Medaille gut.Die erste EM-Medaille für Schwerin gewann Paul Nickel vor mehr als fünfzig Jahren – mit Bronze im Mittelgewicht bei den EM 1957. Danach setzten sich noch heute so bekannte Boxer Schwerins wie Bruno Guse (3. 1959), Dieter Neidel (2. 1961), Karl Degenhardt (3. 1963) oder Jürgen Schlegel (jeweils 3. 1967/69) durch.Im nacholympischen Jahr 1973 sorgte Manfred Weidner im Weltergewicht noch einmal für EM-Silber.Ab den Box-EM 1977 in Halle/Saale gehörten die Schweriner dann zu den regelmäßigen Titelträgern bei den europäischen Championaten: So gewann anno 1977 Richard Nowakowski im Federgewicht die erste EM-Goldmedaille für die Landeshauptstadt, die er 1981 in Tampere verteidigte.Übrigens: U.a. Olympia-Silber 1976 holte Nowakowski – das gilt auch für das Olympia-Gold 1976 seines “Landsmannes” Jochen Bachfeld – dank der Vorbereitung ihres Trainer Paul Nickel, der wegen seiner nicht SED-freundlichen Haltung nicht mit zu den Spielen nach Montreal durfte.

Goldene EM 1985 …

Ein Goldregen erwartete die Boxer des SC Traktor Schwerin bei den EM 1985 in Budapest. Dort triumphierten Rene Breitbarth (Halbfliegengewicht), Dieter Berg (Fliegengewicht) und Michael Timm (Halbmittelgewicht).Der spätere Olympiasieger 1992 Andreas Tews erboxte seine Goldmedaille bei den EM 1987. Den vorläufigen Schlußpunkt bezüglich EM-Titel für Schwerin setzte 1989 in Athen der Halbschwergewichtler Sven Lange. Und die allerletzte EM-Medaille – ebenfalls hoffentlich nur vorläufig – errang der inzwischen zu den Profis gewechselte Sebastian Zbik.Insgesamt erkämpften die Box-Athleten des SC Traktor Schwerin (plus EM-Bronze 2002 von Zbik für das BSC-Team Schwerin) 24 EM-Plaketten, davon 7 x Gold, 5 x Silber und 12 x Bronze. Damit setzten die Schweriner Boxsportler Glanzpunkte im europäischen Maßstab.

Mecklenburger Boxsportler bei Amateur-Box-WM von 1974 bis 2003

M.DressenBei den ersten Box-WM der Amateure 1974 gewann der aus Wismar stammende Bernd Wittenburg die Bronze-Medaille im Mittelgewicht.1982 gewann der Schweriner Richard Nowakowski ebenfalls WM-Bronze im Federgewicht. Drei Medaillen für Schwerin gab es dann bei den WM 1986 in Reno: Silber für Rene Breitbarth im Bantamgewicht, jeweils Bronze für Andreas Zülow/Federgewicht und Torsten Schmitz/Weltergewicht.Bei den WM 1989 in Moskau holten Andreas Zülow (Leichtgewicht) und Torsten Schmitz (Halbmittelgewicht) Vize-Weltmeister-Titel für Schwerin.1991 gewann Schmitz dann noch WM-Bronze. Die vorerst letzte Box-WM-Medaille für Schwerin erkämpfte Martin Dreßen 2003.
Schweriner Faustkämpfer im Olympia-Ring

Den ersten Olympiasieg für Schwerin überhaupt errang der Boxer Jochen Bachfeld in Montreal 1976. Andreas Zülow (1988 in Seoul) und Andreas Tews (1992 in Barcelona) folgten Bachfelds Gold-Beispiel. Beim Box-Turnier der Wettkämpfe der Freundschaft 1984 in Havanna, de-facto das “Gegen-Turnier” zum olympischen Box-Wettkampf in Los Angeles (Olympia 1984 in L.A. wurde ja von den Ländern des Ostblocks boykottiert.), gewann Torsten Schmitz auch eine Goldmedaille. Weitere olympische Medaillen für Schwerin: 1976 Silber durch Richard Nowakowski, 1980 Bronze durch Richard Nowakowski, 1988 Silber durch Andreas Tews.

Marko Michels

F.: M.M. (7), Autogrammkarte

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