Dionysos hält keine Rede

Um eine der mutigeren Varianten der Selbstdarstellung hat die SPD am 29. Mai bei gnädigstem Wetter am Zippendorfer Strand die heisse Phase des Kommunalwahlkampfs bereichert: Unter freiem Himmel wollte man dem Bürger einmal nicht die programmatische Rede zumuten.

Angesagt war stattdessen der Rückgriff auf die kulturelle Ressource. Und dabei gab es dann reichlich Gelegenheit, völlig ungezwungen auf Tuchfühlung zu gehen zur Politprominenz aus Stadt, Land und Bund. Dionysos, der Schirmherr aller alexandrinischen Dramatik, hielt die Hand über das Wahlkampfgeschehen, während für die politische Philippika an Zippendorfs Gestade kein Kiesel zu gewinnen war. Dionysos neigt eher zum Trinkspruch und hält die ausführliche Ansprache entschieden für ein retardierendes Moment des per PROST angeregten Vollzugs.

Zippendorf. Wahlkampfauftritte verpflichten nicht mit Notwendigkeit dazu, wieder und wieder und ausschliesslich die aktuellen Beteuerungen zu Gehör und zur Verteilung zu bringen. Denkbar ist stattdessen auch die jambisch untersetzte Pirouette, der kommödiantische Witz und ansonsten der Umstand der blossen Präsenz des prominenten Gesichts.

Dass das geht und am Ende manchem Spass macht und katastrophenfrei funktionieren kann, bewies am 29. Mai der SPD-Ortsverein Schwerin-Krebsförden mit einer Commedia dell’arte, Titel: Sweriner Kommühn 2004. Auf Hochdeutsch: Schweriner Commune 2004.

Die Commedia dell’arte verpflichtet als Komödienform traditionell zu eigentlich überhaupt nichts ausser vielleicht zur vorbereiteten Szenenfolge und zu ein paar Haupttypen. Weshalb der Stegreifausfall weniger untersagt als vielmehr gefordert ist, um auf Artistenblack-out und Publikumsregung geschickt zu replizieren. An Schwerins Prachtstrand in Zippendorf – einer wunderbaren Anspielung auf die Möglichkeit des Verwechseltwerdens mit mediteranen Promenaden – mochte man in der Figur des Schwers möglicherweise Arlecchino ausmachen und in derjenigen der Schwerine diejenige der Columbina. Die Gelegenheit, Wortwitz aus dem Stegreif abzusondern, ergab sich schlicht aus der Natur der Galerie. Im Publikum, locker vor den Hintergrund des Schweriner Sees gestellt und nicht an den einmal eingenommenen und künftighin fixierten Stehplatz angenagelt, sondern frei sich bewegend und spielpassend durcheinanderwuselnd und sich dergestalt ständig neu gruppierend, fand sich die erwähnte politische Prominenz, dazwischen der Strandgast aus Schwerin und – bestens vertreten – der überwiegend skandinavisch kommentierende Tourist. Und konsequenterweise verfolgte auch Leserbriefinstitution Sabine Schmidt die Ereignisse.

Fast alle waren sie da, vornean Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff, dann der Landesvorsitzende der SPD, Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus, der Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion MdB Dr. Hans-Joachim Hacker, die Landtagsabgeordneten Rudi Borchert MdL und Jörg Heydorn MdL, der SPD-Spitzenkandidat der anstehenden Kommunalwahl Dr. Thomas Haack, der SPD-Kreisvorsitzende Nikolaus Voss sowie weitere Funktionsträger und Kandidaten, unter anderem Annegret und Rolf Bemmann, Udo Brinker, Martin Brinkhahn, Anke Havemann, der Vorsitzende der Stadtfraktion Jürgen Lasch, Matthias Marx, Daniel Meslien, Thomas Schiller vom Bürgerbüro Heydorn und Manuela Schwesig.

Inzwischen soll es zu Nachfragen dahingehend gekommen sein, die Commedia dell’arte anlässlich der SPD-Wahlkampf-Schlussveranstaltung am elften Juni im Schweriner Wurm nochmals zur Aufführung zu bringen.

Th. v. Dalwigk

Nach oben scrollen