Mein Projekt ist Schwerin

Interview mit dem Schweriner Stadtpräsidenten Andreas Lange, 32 Jahre, Rechtsanwalt

1. Sie sind, ähnlich wie Manuela Schwesig für die SPD in Schwerin, ein Hoffnungsträger Ihrer Partei für die Zukunft. Bei den aktuellen Umfragewerten für die Bundes-CDU: Sind Sie im „Überschwang der politischen Gefühle“ ? Angela Merkel ist ja unangefochten …

Stadtpräsident Andreas LangeAndreas Lange: Nein bin ich nicht, denn man kann solche Umfragen nicht einfach auf Schwerin übertragen. Zudem sind für mich diese Zahlen ohnehin nur Momentaufnahmen.

Viel wichtiger als Umfragewertewerte ist für mich die eigentliche politische Arbeit in Schwerin. Wir haben hier noch viele Herausforderungen zu meistern, es liegen wichtige Projekte vor uns. Für mich ist es auch nicht allein entscheidend, ob die eigene Partei Erfolge aufweisen kann, die mich natürlich freuen, sondern ich zolle jedem Politiker, jeder Politikerin, die Positives für unsere Stadt leisten kann, Respekt.

Je mehr gute, demokratische Politik betrieben wird, ganz gleich von wem, um so besser für Schwerin.

2. Die Bindekraft der Parteien wird stetig schwächer. CDU und SPD – letztere stärker – verloren im letzten Jahr wieder Tausende Mitglieder.
Kleinere Parteien oder Protestparteien profitieren von dieser Bürger-Verdrossenheit gegenüber den beiden großen Volksparteien. Was müssen die Volksparteien aus Ihrer Sicht tun, um wieder attraktiver für die WählerInnen zu werden ?

Andreas Lange: Die Parteien müssen sich stärker auf ihre eigentliche Aufgabe besinnen, Stadt und Land voranzubringen. Und sie müssen auch die realen Probleme der Menschen zur Kenntnis nehmen und diese anpacken bzw. lösen.

Es ist zu wenig, nur „Kompromisse“ zu schließen, die nicht wirklich weiter helfen. Oft spielt zu sehr der persönliche Nutzen bei der politischen Entscheidungsfindung eine Rolle. Vielfach wird nur geschaut, was ist Mehrheitsmeinung in der jeweils eigenen Partei, was kann ich tun um bei der nächsten Wahl auf einen sicheren Listenplatz zu kommen.

Doch das ist politisch kurzsichtig.

So entfremdet sich eine Partei von den Menschen. Politiker wie Konrad Adenauer oder Willy Brandt haben für ihre Positionen bei der Westintegration oder der Ostpolitik – trotz harten politischen Gegenwinds – engagiert kämpfen müssen, solche engagierten Demokraten braucht das Land.

Und bei allen Unterschieden: Die CSU ist für mich ein Positiv-Beispiel für eine erfolgreiche Partei. Bei ihr haben die Bürger den Eindruck, die tun etwas für unsere, und nicht allein für die parteipolitischen Interessen.

Bei besserer Politik wird daher auch die Parteienverdrossenheit der Bürger wieder abnehmen. Und man darf nicht vergessen: Alle gesellschaftlichen Organisationen, Kirchen, Gesellschaften, Verbände, haben in den letzten Jahren Mitglieder verloren. Gleichzeitig kann man allerdings feststellen, dass sich gerade junge Leute in Sozial-, Umwelt- oder Dritte-Welt-Projekten engagieren.

3. Die meisten deutschen Zeitungen lobten fast überschwenglich die bisherige Arbeit der Bundeskanzlerin. Wird aus der CDU, dem früheren Bundeskanzler-Verein von Helmut Kohl, nun der Bundeskanzlerinnen-Verein von Angela Merkel ?

Andreas Lange: Ich hoffe nicht. Zwar braucht die CDU starke Führungspersönlichkeiten, aber ganz entscheidend ist, ob er/sie eine politische Vision, eine „message“, haben, für die sie uneingeschränkt eintreten und ob er/sie die Fähigkeit haben, ein Team von Leuten zur Mitarbeit, zur Zusammenarbeit begeistern können.

4. Zu Schwerin: Die Landeshauptstadt „glänzt“ durch das Staatstheater und die Schloßfestspiele, natürlich duch das „Märchenschloss“ oder die Seen. Manche „Stellen“, so der Marienplatz, die Friedrichstrasse oder der allgemeine City-Bereich, sind ziemlich ausgestorben und öde.
Gibt es kein Konzept, um diese prägnanten „Ecken“ Schwerins wieder „aufzupolieren“ ?

Andreas Lange: Nun ja, es gibt auch zahlreiche schöne Seiten von Schwerin.

Die Schelfstadt ist durch die Ausweisung als Sanierungsgebiet zu einem „Schmuckstück“ der Stadt geworden. Gleiches soll nun auch für die Paulsstadt oder die südlich Werdervorstadt passieren.

Es finden auch Überlegungen statt, wie durch Sanierungsverfügungen Eigentümer nicht sanierter Gebäude, die das Stadtbild verschandeln, zur Restaurierung oder Renovierung aufgefordert werden können.

Die Stadt versucht zunächst, nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen, über persönliche Gespräche mit den Eigentümern eine positive Veränderung herbeizuführen. Ob das im Einzelfall immer gelingt, wird man sehen.

5. Schwerin ist auf dem ersten Blick, vielleicht auch noch auf dem zweiten Blick eine beschauliche, liebenswürdige Stadt. Dennoch, trotz z.B. die Fachhochschule für Arbeitsverwaltung, die kaum wahrnehmbar ist, gelingt es nicht, private Universitäten/Hochschulen in Schwerin anzusiedeln. Welches sind die Gründe ?

Andreas Lange: Private Universitäten oder Hochschulen haben in Deutschland nicht die Tradition und den wirtschaftlichen Erfolg wie im angelsächsischen Raum. In Schwerin haben wir jedoch bereits renommierte Bildungseinrichtungen, wie z.B. das „Baltic College“ oder die „Grafik und Design-Schule“, die schon universitäre Ansätze hat.

Schwerin braucht eben „Köpfe“, die sowohl die wirtschaftlichen Möglichkeiten als auch die wissenschaftliche Kompetenz besitzen, eine private Bildungseinrichtung, wie eine Universität, aufzubauen.

Sie müssen dann allerdings von Schwerin begeistert sein und Ausdauer besitzen, denn die Entwicklung und Verwirklichung eines Konzeptes zur Schaffung einer privaten Universität kann einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren einnehmen.

Mit der Fachhochschule für Arbeitsverwaltung haben wir außerdem eine angesehene staatliche Bildungseinrichtung. Diese will sich künftig auch „freien Studenten“ öffnen, die einen beruflichen Weg nicht unbedingt in eine Verwaltung anstreben. So soll für diese Studenten der Studiengang „Personalmanagement“ angeboten werden, eine Ausbildung mit Zukunft.

Hier muß die örtliche Politik den intensiven Kontakt mit der Fachhochschule suchen, den Schwerin bietet mit der FH nicht nur eine etablierte Bildungseinrichtung, sondern ergänzende kulturelle Abwechslungsmöglichkeiten für Studenten und Dozenten !

6. Die BUGA, eigentlich ein sehr positives Projekt, hatte einst visionäre Inhalte. Inzwischen gibt es eine „abgespeckte Version“. Baut Schwerin, wie andere ostdeutsche Städte, zu sehr auf „Luftschlösser“ ?

Andreas Lange: Die BUGA ist auf jeden Fall eine Große Chance für Schwerin. Ganz wichtig, die BUGA in Schwerin ist kein „Kunst-Projekt“ auf der „grünen Wiese“, wie manche BUGA zuvor. Der natürlich gewachsene Schloßgarten ist bereits ein attraktiver „Bundesgarten“.

Und eindeutig ein Plus für die BUGA in Schwerin: Die Nachhaltigkeit der neu geschaffenen Anlagen ist gewährleistet. Die meisten noch zu realisierenden BUGA-Projekte ergänzen die bisherigen (kulturellen) Angebote Schwerins.

Wichtig ist allerdings auch, dass die Fachleute im Bau- und Marketingbereich bis 2009 gründlich ihre Arbeit machen, damit die Planvorgaben auch eingehalten werden.

7. Sportstadt Schwerin: Die Erfolge der Volleyball-Spielerinnen, Boxer, Segler, Handball-Spieler, Leichtathleten oder Radsportler in Vergangenheit wie Gegenwart sprechen für sich. Sie selbst engagieren sich für den Schweriner Fußball.

Der geplante Umbau des Sportkomplexes am Lambrechtsgrund bleibt aber seit Jahren ein Dauer-Thema.

Gibt es zu wenig Initiativen von der Stadt dazu ? Ist die Landesverwaltung, das Innenministerium, der „Bremser“ ?

Andreas Lange: Die Stadt hat bei der Modernisierung des Sportkomplexes am Lambrechtsgrund eine jahrelange Vorarbeit geleistet.

Zwar hat das Innenministerium als Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Finanzierung Bedenken gehabt, aber gleichzeitig zugesichert, dass die Stadt zusätzliche Fördergelder in Höhe von über 4 Millionen Euro für die entsprechenden Baumaßnahmen erhalten wird.

Eine Modernisierung des Sportkomplexes am Lambrechtsgrund muß und wird kommen. Die Gremien der Stadt, die zuständigen Vertreter aus dem Bereich des Sportes und des Innenministeriums werden sich sicher gemeinsam über die notwendigen Modernisierungen verständigen.

Doch zunächst muß der OB die Stadtvertretung über die vom Innenministerium geforderten Änderungen bei den Baumaßnahmen offiziell unterrichten. Danach kann über den weiteren Umgang entschieden werden.

8. Die DDR-Vergangenheit, Mauer und Schießbefehl, standen in letzter Zeit wieder in der Diskussion. Nun gilt ja die CDU als „Partei der Einheit“.

Dennoch müßte sie sich eigentlich ihrer realsozialistischen Vergangenheit stellen.

Zwar gab es Ende der 1940er und in den 1950er Jahren in der damaligen russischen Besatzungszone/DDR CDU-Widerstandskämpfer, wie Werner Jöhren, Siegfried Witte oder Hans Krukenmeyer, gegen die SED-Dktatur, aber nach 1961 war die CDU der DDR ein treuer Erfüllungsgehilfe der SED im sogenannten „demokratischen Block“.

Reinhold Lobedanz und Hans Wittenburg, führende CDU-Funktionäre der damaligen Zeit in Mecklenburg, haben die CDU an die Seite der SED gedrängt.

Wann wird sich die CDU in M-V kritisch mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen ?

Andreas Lange: Die Vergangenheit der DDR, wie der CDU in der DDR, kann man nicht in einem „Schwarz-Weiß-Schema“ erklären.

Es gab in der CDU nach 1945 sowohl Persönlichkeiten, die sich dem kommunistischen Führungsanspruch widersetzten und ihren demokratischen Einsatz mit Flucht, langjährigen Haftstrafen oder sogar mit dem Verlust ihres Lebens bezahlten.

Allerdings gab es auch Kräfte innerhalb der CDU, die die demokratischen Ideale der Gründer der Ost-CDU verrieten und sich so an der negativen Entwicklung in der DDR mitschuldig machten.

Doch nicht jeder der in der DDR eine Führungsposition inne hatte, gleich welcher Partei, hat sich aber auch gleichzeitig schuldig gemacht. Es gab viele, die das Land, die Kultur, die Wirtschaft oder auch den Sport, voranbringen wollten und nicht die unerbittliche Herrschaft einer Ideologie !

Man muß da schon deutlich differenzieren. Gleichwohl darf nicht vergessen werden, dass in der DDR – gerade Ende der 1940er und in den 1950er Jahren – viele Menschen für ihren Einsatz gegen die Diktatur verhaftet oder sogar ermordet wurden.

Die CDU sieht sich bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in der Pflicht und wird dieses auch weiterhin tun.

9. Deutschland im Jahr 2007 heißt auch „Kampf ums Überleben“. „Hartz IV“ ist mittlerweile ein Kampfbegriff. Warum sträubt sich die CDU gegen die Anhebung des Regelsatzes.

Immerhin stiegen die Lebenshaltungskosten 2007 doch enorm …

Andreas Lange: Ein Land lebt davon, dass seine Bürgerinnen und Bürger gemeinsam vorankommen wollen.

Das ist für mich eine Solidar- bzw. Wertegemeinschaft, letztendlich die Nation.

Das Land braucht die Einheit von Ost und West, von Gewinnern und Verlierern, von Reich und Arm, d.h., nur wenn der vermeintlich „Stärkere“ dem vermeintlich „Schwächeren“ hilft, kann die Entwicklung des Staates positiv, ja gesund verlaufen.

Ich bin nicht zufrieden mit der Realität, die „Hartz IV“ mit sich bringt. Gleichwohl muß man feststellen, dass es einen Unterschied zwischen Erwerbstätigkeit und Nichterwerbstätigkeit geben muß – es muß einen finanziellen Abstand geben.

Doch es gibt Beispiele, auch aus meinem Bekanntenkreis, von denen ich weiß, dass der „Hartz IV“-Bezug soziale Verwerfungen zur Folge hat. Es gibt viele Menschen, die unverschuldet durch Krankheit, durch einen persönlichen Schicksalsschlag oder ungerechtfertigterweise wegen ihres Alters die Arbeit verloren haben und in „Hartz IV“ abstürzten.

Diese sind zwar hochmotiviert für eine Arbeitsstelle, finden aber auch aus objektiven Gründen keinen geeigneten Arbeitsplatz. Leider haben sich viele große Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung entzogen.

Im Gegensatz dazu war es selbst im Mittelalter so, dass z.B. die Unternehmerfamilie der Fugger in Augsburg Sozialwohnungen für ihre Angestellten bauten. Heute werden gerade gesundheitlich Beeinträchtigte und reifere Arbeitnehmer vielfach entlassen, obwohl sie in der Lage sind, qualitativ hochwertig zu arbeiten.

Das ist nicht in Ordnung. Zwar sollen die Arbeitsunwilligen bestraft werden, die auf Kosten des Sozialstaates leben, aber die Praxis von „Hartz IV“ offenbart zahlreiche Defizite. Wir brauchen hier mehr Gerechtigkeit.

10. Letzte Fragen: Welches politische Projekt in Schwerin würden Sie gern beschleunigen ?

Hat sich Ihr politisches Leben im Amt des Stadtpräsidenten verändert ?

Andreas Lange: Mein Projekt ist Schwerin. Es muß mehr Gemeinschaft, Gemeinsinn unter den Schwerinerinnen und Schwerinern geschaffen werden.

Zudem sollte ein optimistisches Vorwärtsstreben, mehr Tatkraft, gerade unter den jüngeren Schwerinern vorhanden sein. Nur so kann Schwerin eine Stadt mit
Zukunft werden. Ich hoffe auch auf die gut ausgebildeten Schweriner, dass sie nicht in den Westteil Deutschlands ziehen, sondern versuchen, auch in Schwerin etwas aufzubauen.

Andreas Lange,  seit 2007 Stadtpräsident in SchwerinZur zweiten Frage: Ich versuche so zu bleiben, wie ich bin. Zwar versuche ich kontrollierter zu sein, stelle eigene Emotionen schon mal hinten an, aber letztendlich kann keiner aus seiner Haut. Sicherlich gibt es jetzt viel Lob, vielleicht zu viel Lob, aber das wird sich bestimmt noch ändern …
Für konstruktive Kritik bin ich jedenfalls immer aufgeschlossen.

Interview: Marko Michels

Fotos: privat (1) / M.Michels (1)

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