Olympische Ruder-Regatta 2008 im Blickpunkt

Schwerins Ruder-Nestor H.J.Wüsthoff über „Ruder-Olympia“ in Peking

Interview mit dem Schweriner „Ruder-Nestor“, Kampfrichter bei Olympia 1984 und Vorsitzender des Senioren-Beirats in der Schweriner Rudergesellschaft, Hans-Jürgen Wüsthoff, über die olympischen Ruder-Wettkämpfe 2008 in Peking

Olympia Logo 2008Am 16. und 17.August fanden die Finalrennen im Rudern in Peking statt.
Sechs Ruderinnen und Ruderer aus Vereinen in Mecklenburg-Vorpommern, die sonst in Rostock – beim ORC bzw. RRC – trainieren, starteten in Peking.
Tom Lehmann/Felix Drahotta wurden im Zweier ohne Vierte, Marie-Louise Dräger belegte im leichten Doppelzweier ebenfalls Rang vier und Stephan Krüger ruderte mit dem Doppelvierer auf Rang 6.

WM 2007Mathias Flach und mit ihm u.a. Peter Thiede, der aus Ueckermünde stammt und einige Jahre in Rostock ruderte, der gebürtige Schweriner Philipp Naruhn und im Platzierungsrennen auch der in Greifswald geborene Robert Lehnigk verzeichneten im Achter einen 8.Rang. Im Frauen-Achter gab es für Nicole Zimmermann einen siebenten Platz.

Frage: Herr Wüsthoff, die olympischen Ruder-Wettbewerbe 2008 sind mittlerweile Geschichte. Nur je einmal Silber und Bronze für die Ruderinnen waren die einzige Ausbeute für den Deutschen Ruderverband in Peking. Wie lautet Ihr Resümee zum olympischen Rudern 2008?

HJ WüsthoffHans-Jürgen Wüsthoff: Offen gesagt, es war schon ein sportliches Trauerspiel. Seit mehr als 50 Jahren, seit den Spielen 1956 in Melbourne, hat Deutschland nicht mehr so schlecht bei olympischen Ruder-Wettbewerben abgeschnitten. Peking 2008 war ein absoluter Tiefpunkt für das deutsche Rudern. Ich hatte vorher auf einmal Gold oder Silber sowie drei Bronzemedaillen getippt, aber das es am Ende nur einmal Silber und Bronze wurde, ist um so unerfreulicher.

Jedoch, und das sollte man auch beachten, hatten sich bereits im bisherigen Saison-Verlauf, das nun in Peking eingetretene Ergebnis angedeutet. Man darf sich daher nichts vormachen: Peking spiegelt das gegenwärtige Leistungsvermögen im deutschen Rudersport wieder. Ein Beispiel: Kathrin Boron, die vierfache Olympiasiegerin, die dieses Mal im Doppelvierer dabei war, zeigte sich nach dem Finale über Bronze enttäuscht.

Aber bereits in den letzten Monaten deute sich dieses Ergebnis speziell auch im Doppelvierer an. Aus meiner Sicht: Hätte das Rennen noch 20 Meter länger im Frauen-Doppelvierer gedauert, wäre sogar Bronze „futsch“ gewesen, denn die Ukrainerinnen kamen zum Schluss stark auf.

Frage: Bei den Ruderinnen waren die USA, China und Holland am erfolgreichsten, bei den Herren ruderten sich die Australier und Briten nach vorn. Die erfolgreichste Ruder-Nation bei Olympia 2008 ist insgesamt Großbritannien.

Trainieren die Athletinnen und Athleten in den USA, Großbritannien, Australien oder auch Neuseeland härter, wie z.B. der dreifache Einer-Olympia-Zweite von 1976, 1984 und 1988, Peter-Michael Kolbe, meint?

H.J. WüsthoffHans-Jürgen Wüsthoff: Ob nun in Australien, den USA oder Neuseeland härter trainiert wird, wage ich zu bezweifeln. Es gibt allerdings erhebliche strukturelle Unterschiede, so wird in Amerika über das studentische Rudern die jeweilige Besatzung rekrutiert, die dann im letzten Vorbereitungsjahr, z.B. auf Olympia, dann auch zusammenbleibt und sich intensiv vorbereitet.

Die Amerikaner haben sich zudem auf nur wenige Bootsklassen „so richtig“ spezialisiert, gerade die Achter-Wettbewerbe standen im Vordergrund. Der Lohn: Gold bei den Damen und Bronze bei den Herren. Auch die Briten haben mit Blickrichtung „London 2012“ ihre Anstrengungen verstärkt. Dennoch, die überragende Ruder-Nation gibt es nicht mehr. Bei den Damen verteilten sich die sechs Olympiasiege auf sechs Länder, bei den Herren gingen die Olympiasiege auch an sechs Nationen, nur Australien bzw. Großbritannien konnten zweimal Gold gewinnen und das wechselweise in Skull- und Riemenbooten. Die Leistungsdichte nimmt eben auch im Rudersport immer weiter zu.

Anmerken möchte ich in diesem Zusammenhang, dass ich die Auseinandersetzungen um die richtige Besatzung im deutschen Herren-Achter als ziemlich unwürdig empfand, so sollten Menschen, Sportskollegen, nicht miteinander umgehen. Damit wurde dem deutschen Rudersport, insbesondere dem traditionsreichen Achter, ein „Bären-Dienst“ erwiesen.

ML DrägerFrage: Felix Drahotta und Tom Lehmann sowie Marie-Louise Dräger erreichten mit jeweils Rang vier die besten Resultate für M-V. Hatten Sie auf noch bessere Resultate für die Ruderinnen und Ruderer aus Rostock gehofft ?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Also von Tom Lehmann und Felix Drahotta bin ich wirklich begeistert. Sie haben ihre Sache in Peking wirklich gut gemacht.
Dieses Duo dürfte eine sehr gute Entwicklung nehmen und könnte in Zukunft ebenfalls eine ausgezeichnete Rolle spielen.

Ja, Marie hatte ich auf Platz eins oder zwei getippt. Schade, dass es für sie nicht mit einer Olympia-Medaille klappte, nachdem der Weltcup in dieser Saison bereits gewonnen wurde.

Frage: Talente im deutschen Rudersport gibt es in Deutschland, speziell in M-V, zwar in großer Anzahl, muss sich der deutsche Rudersport dennoch Sorgen um die Zukunft machen?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Es muss sich an der Verbandsspitze, beim Trainer-Stab, sicherlich einiges verändern. Vielleicht ist eine verstärkte Konzentration auf einige Disziplinen, wie es andere Länder vormachen, zu empfehlen.

Auch eine berufliche Perspektive neben dem Sport muss gegeben sein, denn als Ruderer ist man ja kein „Großverdiener“. So könnten die Nachwuchs-Talente auch beim Rudersport gehalten werden.

Frage: Ein „heißes Eisen“ hat M-V im Rudersport, bei den Paralympics vom 6. bis 17.September in Peking startet ja noch der Ribnitzer Marcus Klemp, noch im „sportlichen Feuer“. Was erhoffen Sie sich von Marcus Klemp ?

Hans-Jürgen Wüsthoff: Im letzten Jahr, bei den WM in München, wurde er ja mit einer Klasseleistung Weltmeister. Natürlich wünsche ich ihm, dass er dieses Resultat dann in Peking im September wiederholen möge. Das wäre zumindest ein versöhnliches Ende der Spiele 2008 in Peking aus deutscher Ruder-Sicht, die dieses Mal wahrlich kein Grund zum Jubeln ist.

Frage: Wie ist Ihre Einschätzung zum bisherigen Abschneiden der deutschen Olympia-Mannschaft, nach mehr als der Hälfte der Wettkämpfe, in Peking?

Trainingslager Achter/FrauenHans-Jürgen Wüsthoff: Neben erfreulichen Erfolgen durch die Degen-Fechterin Britta Heidemann, den Florett-Fechter Benjamin Kleibrink, die Schwimmerin Britta Steffen, die Vielseitigkeits- und Dressur-Reiter, gab es auch zahlreiche Ausfälle im Schwimmen, Basketball, Frauen-Handball,
Sportschießen, Kanu-Slalom, im Turnen (Mehrkämpfe) oder eben im Rudern. Auch der Auftakt der Leichtathletik-Wettkämpfe war alles andere als „optimal“.

Ja, auch der derzeitige Zwischenstand im Medaillenspiegel mit Rang vier darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland in einigen Sportarten bereits den Anschluss an die Weltspitze verloren hat bzw. dabei ist, ihn zu verlieren.
Es kann „nur“ besser werden (Hoffentlich!).

Medaillenspiegel im olympischen Frauen-Rudern 2008

1. USA, China und Holland: je 1 x Gold / 1 x Silber 4. Rumänien: 1 x Gold / 1 x Bronze 5. Bulgarien und Neuseeland: je 1 x Gold 7. Großbritannien und Deutschland: je 1 x Silber / 1 x Bronze 9. Finnland: 1 x Silber 10. Weißrussland: 2 x Bronze 11. Kanada: 1 x Bronze

Medaillenspiegel im olympischen  Herren-Rudern 2008

1. Großbritannien: 2 x Gold / 1 x Silber / 1 x Bronze 2. Australien: 2 x Gold / 1 x Silber 3. Kanada: 1 x Gold / 1 x Silber / 1 x Bronze 4. Polen: 1 x Gold / 1 x Silber 5. Dänemark: 1 x Gold / 1 x Bronze 6. Norwegen: 1 x Gold / 7. Tschechien, Estland, Italien und Griechenland: je 1 x Silber 11. Neuseeland und Frankreich: je 2 x Bronze 13. USA: 1 x Bronze

Die olympischen Ruder-Platzierungen der M-V-Starter 2008

Ruder-Achter im Training4.Platz: Marie-Louise Dräger / LG-Doppelzweier / Olympischer Ruder-Club von 1956
4.Platz: Felix Drahotta/Tom Lehmann / Zweier ohne / Olympischer Ruder-Club von 1956
6.Platz: Stephan Krüger / Doppelvierer / Olympischer Ruder-Club von 1956
7.Platz: Nicole Zimmermann / Achter / Rostocker Ruder-Club von 1885
8.Platz: Mathias Flach / Achter / Olympischer Ruder-Club von 1956

Olympisches Kalenderblatt 1988:

Vor zwanzig Jahren, auch bei Olympischen Spielen auf asiatischen Boden, in Seoul 1988 sorgten Ruderinnen und Ruderer aus M-V für Furore. Die gebürtige Wismarerin Kathrin Haacker (SC Dynamo Berlin), die mit dem Rudersport in der Handestadt begann, wurde Achter-Olympiasiegerin. Die aus Neubrandenburg stammende und ebenfalls für den SC Dynamo Berlin startende Jana Sorgers erkämpfte im Doppelvierer Gold. Die Doppelvierer-Herren waren bei der olympischen Regatta 1988 außerdem erfolgreich: Der Schweriner und Wahl-Berliner Steffen Zühlke sowie der Rostocker und ebenfalls Wahl-Berliner Steffen Bogs erkämpfen Bronze.

Marko Michels

F.: H.J.Wüsthoff/privat (1), N.Zimmermann/privat (3), Autogrammkarte M.L.Dräger (1)

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