Als die Demokratie zu Grabe getragen wurde …

Geschichtsvergessene Politiker in Schwerin und „anderswo“ in M-V ?!

DDR-Vergangenheitsbewältigung – für die Träger des „Goldenen Wendehalses“, in der DDR bereits mit Orden dekoriert, im vereinten Vaterlande ebenso, eine eher lästige Angelegenheit – initiiert von irgendwelchen Querulanten.

A.EschFür andere jedoch, die noch ein Gefühl für Gerechtigkeit und politischen Anstand, ja vielleicht sogar selbst in die „Mühlen“ von SED, Blockflöten, Stasi und realsozialistischen Massenorganisationen geraten sind, unabdingbar.

Nun schreibt der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe Nr. 48/2008 über die „Unchristlichen Christen“, es geht dabei um die Verstrickung der Ost-CDU in das politische System der DDR.
Dabei wird offensichtlich, dass mittlerweile nicht nur die alte, traditionsreiche SPD – gerade im Hinblick auf den Umgang mit der Linkspartei – ziemlich geschichtsvergessen ist, sondern auch die CDU mit ihrer Vergangenheit als „Block-Kamerad“ der SED.

In der „Nationalen Front“ der DDR marschierten CDU-Funktionäre viele Jahre „Seite an Seite“ mit der SED, den Nationaldemokraten der NDPD, den Liberaldemokraten der LDPD und natürlich mit der Demokratischen Bauernpartei, der DBD, wobei es sich bei NDPD und DBD bereits bei ihrer Gründung 1948 um nichts anderes handelte als um politische „Retorten-Babies“ der SED, denn deren Führungsteams waren durch und durch von kommunistischen Alt-Funktionären infiltriert.

Wenn heute ehemalige Bürgerrechtler, die für die gesamtdeutsche CDU im deutschen Bundestag sitzen, die maßgebliche stützende Staats-Funktion der Ost-CDU in der DDR in Abrede stellen, so kann man diesen Damen- und Herrschaften nur „Amnesie“ vorwerfen.

Schon vergessen wie Reinhold Lobedanz und Hans Wittenburg die CDU in Mecklenburg zur treuen Erfüllungsgehilfin der SED umfunktionierten, schon vergessen wie Otto Nuschke, Rudolph Schulze oder Gerald Götting die DDR-CDU zum Schulterschluß mit der SED aufforderten.

CDU-EmblemAlles Herrschaften, welche die aufrechten Widerstandskämpfer in den eigenen Reihen, wie Werner Jöhren, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag in Schwerin 1946/48 und späterer Leiter des CDU-Ostbüros, der gesamtdeutschen CDU-Widerstandsbewegung gegen das stalinistische Regime in der DDR, Hans Krukenmeyer, den damaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU in Mecklenburg, oder Siegfried Witte, den Wirtschaftsminister 1946/50 in Mecklenburg, um nur drei Beispiele zu nennen, verrieten.

WitteSchätzungsweise fast 3500 Christdemokratinnen und Christdemokraten wurden zwischen 1945 und 1951 in Mecklenburg verhaftet, gemaßregelt, ihrer Ämter enthoben, Repressalien ausgesetzt oder sogar getötet – „nur“ weil sie sich für eine demokratische Gesellschaft, die sich an echten christlichen Werten orientierte, einsetzten.

Das ist aber nur ein Teil, wenn auch ein gewichtiger, aus dem die CDU heute, ebenfalls in Mecklenburg und damit Schwerin eingeschlossen, zu Recht ihr Selbstbewußtsein schöpft.
Dieser Teil der Geschichte der mecklenburgischen CDU dokumentiert zugleich den Freiheitswillen der hiesigen Bevölkerung, aber …
Aber die Geschichte ging nun einmal weiter. Nach den schlimmen Schauprozessen gegen einige Christdemokraten Ende der 1940er und noch in den 1950er Jahren und der damit verbundenen Gleichschaltung war die CDU größtenteils auf „SED-Linie“.
In Mecklenburg eben dank solcher Leute wie Reinhold Lobedanz, dessen Name leider immer noch in Schwerin einen „Weg“, „Gang“  ziert.

K.MoritzAuf die kommunistische Willfährigkeit einiger Christdemokraten nach dem Krieg wies bereits Karl Moritz, der SPD-Kreisvorsitzende in Wismar nach 1945 hin, der aufgrund seiner demokratischen Gesinnung und seines Einsatzes für das SPD-Ostbüro eine langjährige  Haftstrafe (1948-1953) in einem Arbeitslager am Eismeer, in der Nähe von Workuta, durchzustehen hatte.

Dazu Karl Moritz in seiner Rede vom 5.Januar 1946 in Wismar zur Vereinigung von KPD und SPD und zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien : „ …eine Zusammenfassung der Parteien, kann nur dann erfolgen, wenn jedem einzelnen Mitglied das Recht gegeben wird, selbst über sein Schicksal zu bestimmen. Jedes Mitglied muß das Recht haben …“

Und an anderer Stelle: „ … Gestern, 4.Januar 1946,  mußte ich (Karl Moritz) zur politischen Abteilung der russischen Miltäradminstration kommen und dort werde ich gefragt, weshalb ich diese Versammlung (Es ging um eine SPD-Beratung, die von der KPD in Wismar „übernommen“ wurde. – Anm.M.M.) verboten hätte. Ich habe dort erklärt, ich hätte nichts zu verbieten. Von uns, der SPD, sind keine Versammlungen einberufen. Ich habe lediglich unseren Genossen (der SPD) gesagt, wenn wir in dieser Form behandelt werden, dann lassen wir uns das nicht gefallen. Solche Fälle praktischer Zusammenarbeit kann ich Dutzende aufführen, die zurückliegen. Was hat es zum Beispiel mit einer politischen Vorarbeit für eine spätere Vereinigung beider Arbeiterparteien zu tun, wenn beispielsweise am Arbeitsamt (in Wismar) erklärt wird: `Komme hier nicht als SPD, du kannst als Kommunist oder als CDU kommen, dann wirst du eingestellt.` Das ist schwarz auf weiß festgelegt. … Der (SPD-)Genosse geht also zum Arbeitsamt und dort wird ihm als Sozialdemokraten gesagt, `das ist dasselbe, als wenn du in die Nazipartei eingetreten wärst.` …“ (MLHA Schwerin, BPA Schwerin, III/1)

Während nach 1945 KPD und CDU sich gegenseitig Posten und Pöstchen in Wismar zuschoben, gingen die sozialdemokratischen „System“-Kritiker leer aus.
Tja, ja, an der Posten-Schieberei je nach politischer Farbenlehre hat sich allerdings heutzutage nicht viel geändert …

Der aufrechte Sozialdemokrat Karl Moritz wurde seinerzeit in seinem Kampf gegen die kommunistischen Machtansprüche nicht nur vom gegenüber der KPD sehr kompromissbereiten SPD-Landesvorsitzenden Carl Moltmann (Auch dessen Name ziert noch immer eine Straße in Schwerin …) allein gelassen, sondern auch von so manchen Wismarer Christdemokraten.

Spätestens nach dem Mauerbau 1961 hatten sich die mittleren bis höchsten Führungsschichten der Ost-CDU mit den Zielen der SED gemein gemacht, auch wenn hier und da, z.B. in der Frage des „Abtreibungsparagraphen“, durchaus noch Meinungsunterschiede bestanden.
Doch wer nach 1961 in die Ost-CDU eintrat, der wusste, dass es sich hier eben nicht um eine Widerstandsbewegung gegen die führende DDR-Staatspartei SED, die zweifellos die Hauptverantwortung am DDR-Unrecht trägt, handelte, sondern um eine „regime-erhaltende Säule“ der DDR.

17.Juni 1953Sehr arrogant und überheblich verhielten sich die ostdeutschen Christdemokraten nach 1990 gegenüber Sozialdemokraten, Liberalen und auch Reformkräften in der SED in puncto „Bewertung der eigenen Vergangenheit“.
Während die Sozialdemokraten ebenfalls einen hohen Blutzoll in ihrem Kampf gegen die kommunistische Diktatur zahlten – mehr als 5000 frühere mecklenburgische und vorpommersche SPD-Mitglieder wurden bis 1950 bespitzelt, drangsaliert, verhaftet, aus dem Amt gedrängt, politisch isoliert oder getötet, bis 1955 weitere 3000 allein in Mecklenburg – auch die Liberaldemokraten einen engagierten Kampf gegen die „Einheitssozialisten“ führten, Namen wie Arno Esch, Eduard Friedrich Stratmann oder Paul-Friedrich Scheffler sind mittlerweile legendär, und es selbst ehemalige KPD-Funktionäre gegen eine diktatorische Gesellschaft gab, die ebenfalls verfolgt und verhaftet wurden (Ehepaar Warscycek, Rudi Schwedler oder Wolf Reichardt), treten heute führende Christdemokraten so auf, als sei der Untergang der DDR das Verdienst der CDU und nicht Ergebnis des mutigen Freiheitsdranges der Ostdeutschen gerade im Wende-Herbst 1989 (Aber nicht nur zu diesem Zeitpunkt !!!).

Übrigens traten da auch die Schweriner Christdemokraten noch gemeinsam mit der SED und den anderen „Blockfreunden“ auf – als „Gegendemonstranten“ gegen das Neue Forum und die neuen demokratischen Bewegungen auf dem Alten Garten.
Alles schon vergessen, alles schon vergeben, alles nicht mehr wichtig ?

Es geht nun nicht darum, der CDU in Deutschland, in Mecklenburg oder in Schwerin politisch in die Beine „zu grätschen“, es geht aber um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bei der Bewertung der eigenen politischen Entwicklung. Die CDU ist in den letzten 18 Jahren sehr selbstgefällig aufgetreten, was ihre Verbindungen zum politischen System der DDR betraf.

Es ist nun an der Zeit, dass hier ein deutliches Umdenken erfolgt und nicht nur ständig „mit dem Finger“ in Richtung SPD, Liberale oder Linkspartei, deren Defizite bei der eigenen Vergangenheitsaufarbeitung ebenfalls noch immens sind, „gezeigt wird“.

Das ist die CDU den zahlreichen vorhandenen Widerstandskämpfern in ihren eigenen Reihen, die den Einsatz für die deutsche Einheit, für die Demokratie und für die Freiheit mit Haftstrafen oder ihrem Leben bezahlten, ganz einfach schuldig.

Doch Sozialdemokraten, Liberale und vor allem die Hauptverantwortliche, die SED und ihre Erben, sollten angesichts der Diskussion um die CDU-Vergangenheit in der DDR nicht  vorschnell frohlocken. Auch deren Mit- bzw. – im Falle der SED ff. – Hauptschuld am DDR-Desaster ist unbestritten.

Was Politiker und „Quislinge“ wie Carl Moltmann und Friedrich Wehmer (beide SPD), Reinhold Lobedanz und Hans Wittenburg (beide CDU), Max Suhrbier und  Horst Schomacker  (beide LDP) sowie Kurt Bürger und Hans Warnke  (KPD) in Mecklenburg, in Schwerin, bereits nach 1945 anrichteten, wurde erst mit dem Scheitern des real existierenden Sozialismus, einem frühkapitalistischen Gebilde mit absolutistischem Machtapparat und sozialistischer Fassade, 1989/90 so richtig deutlich.

SPD-KPD 1946Bereits im Ansatz,  mit der erzwungenen Vereinigung von KPD und SPD und der gewaltsamen Gleichschaltung der „Blockparteien“ 1945-1955 in der russischen Besatzungszone/späteren DDR, war der Versuch gescheitert, eine gerechtere sowie sozialere Gesellschaft zu schaffen – und damit wurde ein uralter Menschheitstraum von einer „besseren Welt“, der von der Bergpredigt über die Ideen der Französischen Revolution 1789 und der katholischen Soziallehre bis hin zum „Kommunistischen Manifest“ 1848 reicht bzw. Ausdruck findet, in der Realität zerstört.

Wenn heute selbst ernannte Wi(e)derstandskämpfer allerdings über die Vorzüge der real existierenden Demokratie, des Demokratismus in Formvollendung mit TV-Clowns, Finanz-Crashs, Profit-Gier, Börsen-Spekulanten oder Sozialabbau, schwadronieren, so können diese das ohnehin vorzüglich als Beamter, Angestellter des öffentlichen Dienstes, „Groß-Unternehmer“ oder Angestellte in „gemeinnützigen“ Verbänden mit hohen Diäten, Pensionen oder sonstigen üppigen Einkommen.

Wie meinte ein früherer Sozialdemokrat einst, der seinen Einsatz für eine bessere, gerechtere Gesellschaft nach 1945 in DDR-Gefängnissen als politischer Häftling bezahlen mußte: „Wer wirklich gelitten hat, lebt nicht von großen Sprüchen !“.

Nur, die Sprücheklopfer, ob mit knallroter, seichtroter, schwarzer, gelber oder grüner „Krawatte“ sind wieder am politischen Ruder – nach der Devise „Wende gut, alles gut !“.
Aber manches „Wende-Manöver“ auf „hoher (politischer) See“ misslang bereits …
Wer wie ein „Pharisäer“ auftritt, der sollte auch wie einer behandelt werden ! Im nächsten Jahr sind übrigens wichtige Wahlen.

Dann darf auch darüber entschieden werden, ob Politiker, die die eigene Vergangenheit und die ihrer Partei „klittern“ oder „schön reden“ in den deutschen Bundestag oder in ein Landesparlament gehören !

Und dann sollte für diese gelten – aber ohne „öffentliche Übergangsgelder“ oder „Pensionen“: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott !“. Nur, der wird sich von solchen „Ignoranten“ ebenfalls abwenden.

Dr. Marko Michels

 

Kirche> Aurel von Jüchen, nach 1945 u.a. Pfarrer an der Schelfkirche in Schwerin, Sozialdemokrat und wegen seiner christlichen und demokratischen Gesinnung von 1950 bis 1955 im Arbeitslager in Workuta inhaftiert, über die Ereignisse nach 1945 in Mecklenburg, auch in Schwerin:

„ … In der sowjetischen Besatzungszone werden die Sozialdemokratische Partei und die KPD unter dem Namen Sozialistische Einheitspartei vereinigt, ohne dass der einzelne Parteigenosse, die einzelne Orts-, Kreis- oder Landesgruppe gefragt worden wäre. Für die Misstrauischen und Besorgten werden die allberuhigendsten Versicherungen abgegeben. Der einzelne Sozialdemokrat, der vielleicht ein Leben lang für seine Partei gestritten hatte, wachte eines Morgens auf, um festzustellen, dass er ohne Zustimmung in eine kommunistische Partei eingegliedert wurde. Er könnte vielleicht seinen Austritt erklären.

Aber lag nicht Wahrheit in dem Argument, dass der Nationalsozialismus niemals die Macht hätte an sich reißen können, wenn die Arbeiterschaft ihm einig und geschlossen widerstanden hätte ? Gaben die Kommunisten nicht immer selbstkritisch zu, dass ihre Taktik, alle ihre Gegner samt und sonders als `Faschisten`, die Angehörigen der Sozialdemokratie zum Unterschied von den braunen Faschisten als `Sozialfaschisten` gebrandmarkt zu haben, ein großer politischer Fehler war, der eine Einheitsfront gegen den anbrandenden Nationalsozialismus unmöglich machte ? Konnte der sozialdemokratische Herr Jedermann sich jetzt, nach der Hitler-Niederlage, dem Neuaufbau Deutschlands politisch versagen ?

Auch in der CDU und LDP fallen die eigentlichen Entscheidungen in den obersten Führungsgremien der Partei. Aus großer Entfernung und ohne die Zusammenhänge zu verstehen, nimmt Herr Jedermann von Auseinandersetzungen in der Führung, Personalwechsel usw. Kenntnis. Die Entscheidungen seiner Partei verwundern ihn immer mehr. Es dauert geraume Zeit, bis Herr Jedermann jede Hoffnung auf eine demokratische Entwicklung fahren lässt, und bis er erkennt, dass er selbst im ganzen Raume der Politik zum Objekt der Entscheidungen und Verfügungen anderer geworden ist …“.
(Aurel von Jüchen, Mit dem Kommunismus leben ?, S.21-22)

 

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>> Vielleicht wäre eine aufrichtige Vergangenheitsaufarbeitung, bei der „alles auf den Tisch“ kommt, das beste Geschenk von CDU, SPD, FDP und Linkspartei in M-V oder speziell auch in Schwerin zum 20.Jahrestag des Berliner Mauerfalls im kommenden Jahr … mm

1.Foto: Für seine demokratischen Überzeugungen getötet worden: der liberale Demokrat Arno Esch. (MLHA)

2.Foto: Siegfried Witte, der mutige Christdemokrat und Oppositionelle gegen die drohende kommunistische Diktatur. (MLHA)

3.Foto: Karl Moritz, SPD-Kreisvorsitzender nach 1945 und KPD-Gegner. (Stadtarchiv Wismar)

4. und 5.Foto: Plakate zum 17.Juni 1953 – Aufstand gegen die SED-Machthaber.

6.Foto: Schelfkirche in Schwerin.

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