Die Leichtathletik-WM im Visier: Rückblick auf die Titelkämpfe 1991

In Tokyo stand die „Grace Kelly der Leichtathletik“ im Mittelpunkt

LACNoch zwei Monate bis zu den Leichtathletik-WM 2009 – vom 15. bis 23.8. in Berlin.

Nach Helsinki 1983 und Rom 1987 blickt Schwerin-News auf die dritten Titelkämpfe 1991 zurück …

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1991 waren Titelkämpfe der Emotionen und vieler Höhepunkte. Die Welt war nach den friedlichen Revolutionen 1989/91 gegen kommunistische Diktaturen und andere autoritäre Regierungen noch immer in Aufruhr.

Noch kurz vor dem WM war die Menschheit geschockt: Im größten Land der Erde hatten altkommunistische Kader versucht, den unumkehrbaren Prozess von Glasnost und Perestroika durch einen Putsch aufzuhalten, um alte stalinistische Herrschaftsstrukturen wieder herzustellen.

Doch das russische Volk, maßgebliche Politiker in der damaligen noch Russischen Föderativen Sowjetrepublik stemmten sich dagegen, begehrten auf und innerhalb dreier Tage – zwischen dem 18. und 21.August 1991 – war der stalinistische „Spuk“ beendet. Noch im Dezember 1991 löste sich die UdSSR auf. Es entstanden bis 31.Dezember 1991 fünfzehn neue Staaten.
In Tokyo, dem Austragungsort der dritten Leichtathletik-WM drei Tage nach den Ereignissen in Moskau, starteten u.a. Ukrainer, Russen, Weißrussen, Kasachen oder Armenier noch gemeinsam in einem sowjetischen Team. Gebannt blickten jedoch auch die Athletinnen und Athleten des Teams Sowjetunion nach Moskau.

Blicke ganz anderer Art richteten sich auf eine deutsche Sportlerin – die „Grace Kelly der Leichtathletik“, die 1,82 Meter große Model(l)-Athletin im wahrsten Sinne des Wortes, auf die Neubrandenburgerin Katrin Krabbe. Schon bei den Spielen 1988 war sie der „Hingucker“ auf der Tartanbahn. Ihr sportlicher Stern ging dann bei den EM 1990 in Split „so richtig“ auf, nachdem sie bei den Junioren-WM 1988 bereits zweimal Gold erkämpfen konnte (200 Meter/4 x 100 Meter). Einen Dreifach-Sieg über 100 Meter, 200 Meter und 4 x 100 Meter gab es für die schnieke Läuferin vom Tollensesee.

KKAuch bei den Weltmeisterschaften 1991 war Katrin Krabbe die Top-Favoritin auf den kurzen Distanzen – und sie wurde dieser Favoriten-Rolle gerecht. Über die 100 Meter und 200 Meter ließ die Neubrandenburgerin ihren Gegnerinnen – allen voran Merlene Ottey aus Jamaika oder Gwen Torrence aus den USA – keine Chance. In den Staffeln gab es jeweils Bronze für sie. Katrin Krabbe war ein Super-Star – erfolgreich, anmutig, glamourös. Sie war zudem der erste gesamtdeutsche Star – noch vor der eigentlichen formalen Wiedervereinigung am 3.Oktober 1990.

In ihren beiden Top-Jahren 1990/91 wurde sie zur „Sportlerin des Jahres“ gewählt – und 1991 gar zur Welt-Leichtathletin und Weltsportlerin. Mehr ging fast gar nicht.

Nur Olympiamedaillen, Olympia-Gold fehlten der jungen Sportlerin, Jahrgang 1969, noch in ihrer Sammlung. Die sollten bei den Spielen 1992 folgen – und eigentlich stand dem nichts im Weg. Eine Hürde nahm sie jedoch nicht und die hieß „Clenbuterol“, ein Asthma-Medikament, das bei entsprechender Anwendung einen Effekt zum Muskelaufbau hat. Es stand damals allerdings nicht auf der offiziellen Dopingliste, und als es bei ihr im Jahr 1992 festgestellt wurde, folgten Sperren, juristische Prozesse und letztendlich das Ende der Karriere, die so außerordentlich erfolgreich startete, so kurz dauerte, nachhaltig wirkte und am Ende eine Heerschar von Pharisäern mit sich brachte.

Diejenigen, auch die Gegnerinnen, die laut „Betrug riefen“, wurden später selbst als Doping-Sünderinnen entlarvt, mancher (west-)deutscher Kommentator, der die „Doping-Verbrechen der DDR“ lauthals kritisierte, übersah die Doping-Sünder westlich der Elbe und mancher Sportfunktionär, der sich gern mit der schönen Katrin fotografieren ließ, litt später an Amnesie. Um es deutlich zu sagen: „Die flächendeckenden Dopingpraktiken der DDR, staatlich verordnet und geduldet, waren und sind nicht hinnehmbar, sind kriminell.

Aber dann müssen auch die zahlreichen Dopingvergehen in Nordamerika, Westeuropa oder Ostasien vor 1990 ebenfalls in den Fokus gerückt werden. Dort waren die Sportler nicht nur durch Fast-Food-Nahrung, koffein- und kohlensäurehaltige Getränke oder leckere Steaks so stark und schnell – genügend Unterlagen hierzu sind vorhanden.

Doping, ob unter real-sozialistischen wie real-kapitalistischen Vorzeichen ist immer ein Verbrechen. Für jede/jeden – ganz gleich woher – müssen aber die gleichen Maßstäbe gelten. Im Fall Katrin Krabbe hatte man deutlich überzogen. Schade. Auch ohne Clenbuterol hätte sie es ganz nach oben schaffen können, einer Sportlerin, der die Natur, „Karl Marx“ oder der liebe Gott (je nachdem, zu wem man sich hingezogen fühlt) das Potential dazu in die Wiege gelegt hatte…

Ihre Neubrandenburger Sportkollegin Grit Breuer war ebenfalls betroffen. Sie konnte in Tokyo über 400 Meter hinter der Französin Marie-Josee Perec Silber gewinnen und in der 4 x 400 Meter-Staffel, in der Katrin Krabbe und Christine Wachtel (alle Neubrandenburg) ebenfalls liefen, Rang drei erreichen.

Doch die Kameras in Tokyo richteten sich nicht nur auf Katrin Krabbe. Drei  Weltrekorde wurden gebrochen – sogar ein „Methusalem-Rekord“. Bob Beamon hatte bei den Spielen 1968 in Mexico-City – in bester Höhenluft – 8,90 Meter im Weitsprung erreicht: „Ein Sprung ins 21.Jahrhundert“, wie die Experten meinten. Bei den Leichtathletik-WM in Tokyo konnte aber  Beamons Landsmann Mike Powell diesen „Rekord für die Ewigkeit“ brechen – 8,95 Meter ! Auf einen Sprung jenseits der 9 Meter wartet die Leichtathletik-Welt noch immer …

Für „Uncle Sam“ gab es zwei Weltrekorde. Carl Lewis sprintete über die 100 Meter in 9,86 Sekunden und ´für die amerikanische 4 x 100 Meter-Staffel wurden 37,50 Sekunden gestoppt. Aus deutscher Sicht sorgten Heike Henkel im Hochsprung, Sabine Braun im Siebenkampf und Lars Riedel im Diskuswerfen für goldene Augenblicke.

Der gebürtige Rostocker Christian Schenk, 1988 in Seoul Olympiasieger im Zehnkampf, musste in Tokyo`91 dem Amerikaner Dan O`Brien und dem Kanadier Mike Smith den Vortritt lassen. Und Schwerins bester Diskuswerfer aller Zeiten, Jürgen Schult, hatte im „Land der aufgehenden Sonne“ einen „kleinen Hänger“ – Rang sechs gab es für ihn. Ein Jahr später revanchierte er sich mit Olympia-Silber 1992 in Barcelona.

KBSAls am 1.September die Leichtathletik-WM beendet wurden, standen für die USA als „Medaillenspiegel-Nr.1“ 10 x Gold, 8 x Silber sowie 8 x Bronze zu Buche, gefolgt von der geputschten Sowjetunion mit 8 x Gold, 9 x Silber sowie 11 x Bronze und den gemeinsamen Deutschen aus Ost und West mit 5 x Gold, 4 x Silber sowie 8 x Bronze. Insgesamt hatten 16 Länder goldene Momente in Japans Hauptstadt.

Bereits zwei Jahre später war Stuttgart an der Reihe. Zwar regierten nicht mehr irgendwelche Kommunisten oder deren Vasallen einen Großteil der Welt, dafür gab es eine alte, neue Parole „Geld regiert die Welt !“ Es gab Fernsehrechte und Werbeflächen zu verkaufen, auch mittels lebender Litfass-Säulen. Warum – wie seit 1983 üblich – Leichtathletik-WM nur alle vier Jahre stattfinden lassen, wenn es auch früher geht, meinten wohl die Leichtathletik-Welt-„Bevollmächtigten“.

Also wurden ab 1993 ff. die Welttitelkämpfe alle zwei Jahre veranstaltet, eine Entwertung der Leichtathletik-WM, aber Geld war damals noch etwas mehr wert als heute …

M.Michels

F.: 1.Leichtathletik, olympische Kernsportart und immer noch sehr beliebt bei Reiferen und Jüngeren: Hier eine Impression vom Leichtathletik-Cup der Wismarer Schulen 2008. mm / 2.Autogrammkarte Katrin Krabbe. / 3.Traditionsreich auch für Wettkämpfe in der Leichtathletik: das Kurt-Bürger-Stadion in Wismar. mm

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