Im Blickpunkt: Mehrkampf-WM 2008 im Eisschnelllauf in Berlin

Ehemalige Wahl-Schwerinerin sogar 1960 Olympiasiegerin …

Vom 9. bis 10.Februar findet in der Bundeshauptstadt ein „Eis-Spektakel“ in weltmeisterlichem Rahmen statt – die Welt-Titelkämpfe im Mehrkampf der Eisschnellläufer.

Im Sportforum Berlin werden je 24 Damen und Herren an den Start gehen und Rekorde werden nicht nur erhofft, sondern sogar erwartet.

Nicht nur die Tatsache, dass die „Allround-WM“ bereits restlos ausverkauft ist, mag verblüffend sein, auch die „offiziellen Erwartungshaltungen“ in Sachen „Best-Zeiten“.

Sechs aktuelle Weltrekorde wurden auf dem 400 Meter-Eis-Oval im Sportforum bei „bäriger Atmosphäre“ aufgestellt und neue sollen auf jeden Fall hinzukommen.

Lokalmatadorin Claudia Pechstein, mit fünfmal Gold die erfolgreichste deutsche Winter- Olympionikin aller Zeiten, ist schon ziemlich „heiß“ auf ihre WM, auch wenn sie – bedingt durch aktuelle Ergebnisse im nicht sonderlich „geliebten“ Mehrkampf – übertriebene Erwartungen eher dämpft:

„Jeder weiß, dass der Mehrkampf nicht unbedingt mein Ding ist. Aber: Ein bißchen träumen wird ja erlaubt sein, vor allem in der eigenen Stadt !“.

Auch Mecklenburgerinnen haben Anteil an der „Erfolgsstory“ der Mehrkampf-WM …

Wahl-Schwerinerin H.HaaseDen Anfang machte Helga Obschernitzki-Haase. Die Eischnelllauf-Olympiasiegerin von 1960 über 500 Meter lebte nach ihrer Flucht aus Danzig-Schidlitz von 1945 bis 1952 in Schwerin-Neumühle und spielte für die BSG Empor Schwerin sogar Handball, ehe sie nach Berlin ins Eis-Metier wechselte.

Zwischen 1953 und 1967 gewann die ehemalige Wahl-Mecklenburgerin, die für den SC Dynamo Berlin startete und ihren Trainer Hellmuth Haase dann auch heiratete.

Die Hanseatin Karin Kessow, Jahrgang 1954, war zunächst auf den Rostocker Eis-Bahnen des SC aktiv, ehe sie in Berlin bessere Bedingungen vorfand und 1975 Weltmeisterin im „Großen Mehrkampf“ wurde.

Karin Kessow, WM-Gold für M-V 1975Nur knapp verpasste sie bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck als Vierte über 3000 Meter und als Fünfte über 1500 Meter die erhoffte „Plakette“. Im Jahre 1970 war sie von der Ostseeküste zum SC Dynamo Berlin gewechselt.
Fünf Jahre später lief sie auch über 5000 Meter in 8:20,40 einen inoffiziellen Weltrekord. Die Rostockerin ist mit dem früheren „Sport-Kollegen“ Karl-Heinz Drbal verheiratet.

Olympisches Eis-Gold für M-V

Eine weitere gebürtige Mecklenburgerin, noch von der Ostseeküste, konnte hingegen 1992 den ganz großen olympischen „Wurf“ auf der Eisbahn meistern: Jacqueline-Börner-Schubert,1965 in Wismar geboren, wurde 1992 über 1500 Meter in Albertville Olympiasiegerin.

Dabei verdankt sie ihre Wismarer Herkunft „nur“ den beruflichen Verpflichtungen der Eltern, die auf der „Fritz Heckert“, einem „Urlaubsschiff“ zur See fuhren.
So lebte die kleine Jacqueline, als ihre Eltern auf dem Wasser anheuerten, zwischen 1965 und 1969 in den Hansestädten Wismar sowie Rostock.

Einige Male durfte die zukünftige Olympiasiegerin sogar mit auf „große Reise“ !

Doch mit dem Umzug 1969 nach Berlin-Lichtenberg wechselte auch Jacqueline vom „flüssigen“ zum gefrorenen“ Wasser. Zunächst jedoch war sie als Leichtathletin aktiv, bis sie im Sportforum Höhenschönhausen 1975 als Zehnjährige ihre erfolgreiche Eislauf-Karriere startete.

Mit dem endgültigen Durchbruch zur nationalen bzw. internationalen Spitzenklasse war es dann für die Wismaranerin auch nicht mehr weit: So wechselte sie 1978 zum TSC Berlin und wurde letztendlich als Siebzehnjährige ins DDR-Junioren-Team berufen.

Vorbilder waren für die junge Jacqueline vor allem das Top-Quartett um Karin Kania, Christa Rothenburger, Gabi Schönbrunn und Andrea Schöne.

1990 ging ein Traum in Erfüllung – der WM-Mehrkampf-Titel. Doch bereits wenige Monate später, im August 1990, schien die Karriere beendet. Durch einen unverschuldeten, schweren Verkehrsunfall während des Radtrainings schien Jacquelines Karriere fast beendet.

Wismars Jacqueline BörnerDoch sie kämpfte sich an die Weltspitze zurück und wurde 1992 verdient Olympiasiegerin.

Ihrer mecklenburgischen Heimat blieb sie aber stets treu und heiratete 2004 im „Neptun“-Hotel in Rostock-Warnemünde ihren langjährigen Trainer Thomas Schubert.

Bei den Eisschnellläuferinnen gilt anscheinend in puncto „eisiger Liebe“: „`Gleich` und `Gleich` gesellt sich gern !“.

Die Mehrkampf-WM bis 2005 – ein Abriss

Den ersten (inoffiziellen) Weltmeister-Titel im Mehrkampf bei den Herren sicherte sich 1889 in Amsterdam der Russe Alexander Panschin, der den US-Amerikaner Joseph Donoghue und den Holländer Klaas Pander auf die Ehrenplätze verwies.

Erster offizieller Mehrkampf-Weltmeister wurde übrigens 1891 der WM-Vize von 1889, der Amerikaner Donoghue.

Große Namen zierten seitdem die Siegerlisten bei Mehrkampf-WM: der Holländer Jaap Eden, der Norweger Peder Ostlund, dessen Landsmann Oscar Matthisen, der Russe Nikolai Strunnikow, ebenfalls der Norweger Ivar Ballangrud oder der Finne Clas Thunberg prägten das WM-Geschehen in den ersten vier WM-Jahrzehnten.

Fritz Ahrendt, Bronze bei der Mehrkampf-WM 1890, holte damit das erste WM-Edelmetall in diesem Eislauf-Wettbewerb für Deutschland.

Sogar im Kriegsjahr 1940 wurde eine Mehrkampf-WM in Oslo ausgetragen – mit dem Sieger Alfons Bersins/Lettland.

Nach dem Krieg 1945 gaben zunächst Finnen und Norweger den „Ton“ an, ehe ab 1953 – mit dem Sieg von Oleg Gontscharenko – die sowjetische Ära begann.

Doch bereits ab 1963 eroberten Skandinavier und Holländer die Dominanz zurück: Kees Verkerk, Ard Schenk, Piet Kleine, Göran Claeson, Sten Stensen sind nur einige Beispiele aus den 1960ern und 1970ern.

Der Star auf dem Eis war jedoch Eric Heiden (USA), 5facher Olympia-Champion von 1980 und Weltmeister von 1977 bis 1979 im Mehrkampf.

Nach ihm gab es aber dennoch herausragende Athleten, wie z.B. Hilbert van der Duim, Tomas Gustafson, Hein Vergeer, Johann Olav Koss, Rintje Ritsma, Ids Postma und dank des Olympia-Schubs von Salt Lake City 2002 Chad Hedrick oder Shani Davis (beide USA).

Die Frauen durften „mehrkampfmäßig“ mit WM erst 1933 ran: Erste (inoffizielle) Mehrkampf-Weltmeisterin war die Österreicherin Liselotte Landbeck. (Erste „offizielle“ Weltmeisterin: 1936 Kit Klein/USA !)

Bis 1947 folgten Undis Blikken (Norwegen), Kit Klein (USA), Laila Schou Nilsen (Norwegen) und Verne Lesche (Finnland).

Dann, bis 1967, lief dann die Sowjetunion alles „in Grund und Boden“. 18 WM-Goldmedaillen gab es für die weibliche Mehrkampf-Sbornaja.

Lediglich der Finnin Eevi Huttunen gelang 1951 ein „Einbruch“ in diese sowjetische Phalanx. Inga Artjamonowa, Walentina Stenina oder Lidija Skoblikowa sind die goldenen Eis-Ladies der UdSSR in jenen Jahren.

Ab 1967 sorgten dann die Holländerinnen um Stien Kaiser oder Antje Keulen-Deelstra für mehr Abwechslung. Und 1975 gewann endlich Mecklenburg mit Karin Kessow das ersehnte WM-Gold !

Bis 1981 setzten mit Sylvia Burka (Kanada) oder Beth Heiden (USA) auch zwei Nordamerikanerinnen Sieges-Akzente, wobei auch die Russinnen mit z.B. Natalja Petrussewa triumphierten.

Serien-Siegerin Gunda NiemannDoch ab 1982 waren die deutschen Damen top – zunächst im „DDR-Trikot“, dann im wieder vereinten deutschen Team. Bis 1993 siegten die deutschen Läuferinnen (u.a. Karin Kania, Gunda Niemann und 1990 die Wismaranerin Jacqueline Börner) 12 Mal.

Erst der Wahl-Österreicherin Emese Hunyadi gelang es 1994 die deutsche Gold-Serie zu stoppen.

Lange allerdings nicht … Schon 1995 gewann wieder Gunda Niemann und wurde dann 2000 durch „Ice-Darling“ Anni Friesinger abgelöst, die nun ihrerseits bis 2002 das Gold vom Eis holte.

2003 und 2004 gab es dann mit der Kanadierin Cindy Klassen und der Holländerin Renate Groenewald wieder zwei nichtdeutsche Gold-Ausnahmen.

Aber 2005 folgte schon wieder die deutsche Antwort – mit dem WM-Sieg von Anni Fiesinger.
Ob es anno 2008 wieder zu deutschem WM-Gold reicht, bleibt abzuwarten, denn die internationale Konkurrenz wird sich alle Mühe geben, Claudia Pechstein & Co. gerade „zu Hause“ zu bezwingen.
Aber auf jeden Fall dürften es stimmungsvolle Titelkämpfe auf höchstem Niveau werden – ganz nach dem Motto „Auf das der Bessere/die Bessere gewinnen möge !“.

Zahlreiche WM-Höhepunkte im Eislaufsport gab es in der Vergangenheit bereits in Berlin: 1993, die Frauen-Mehrkampf-WM, 1994 die Junioren-WM, die Sprint-WM 1998, die WM auf den Einzelstrecken 2003 und 14 Weltcups.

Am 9.Februar wird die Mehrkampf-WM 2008 in Berlin feierlich eröffnet und mit den Disziplinen 500 Meter/Damen und Herren bzw.3000 Meter/Damen sowie 5000 Meter/Herren fortgesetzt.

Am 10.Februar wird die endgültige Entscheidung der Mehrkampf-WM auf den Strecken 1500 Meter/Damen und Herren, 5000 Meter/Damen und 10000 Meter/Herren „gefunden“.

Außerdem wird auch dem nur „sporadisch Eislauf-Interessierten“ einiges geboten. So soll ein „buntes Rahmenprogramm“ für zusätzliches WM-Flair im Sportforum sorgen.

WismarVielleicht ist ja „demnächst“ wieder eine Mecklenburgerin WM-Starterin – fast zwanzig Jahre nach dem WM-Gold der Hanseatin Jacqueline Börner aus Wismar !

Marko Michels

Fotos: Deutsche Olympische Gesellschaft (4), M.M. (1)

Wissenswertes zum Eisschnelllauf:

– Die „International Skating Union“ (ISU) wurde 1892 gegründet und ist der älteste Welt-Fachverband im Wintersport.

– Die erfolgreichsten Mehrkampf-Weltmeister (bis 2005) sind Oscar Mathisen (NOR/5x) und Clas Thunberg (FIN/5x).

– Bei den Frauen waren (bis 2005) Gunda Niemann (D/8x), Karin Kania (die zeitweise auch in Rostock trainierte/5x) und Anni Friesinger (D/4x) am erfolgreichsten.

– Seit den ersten Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix ist Eisschnelllauf olympisch.

– Die kältesten WM gab es 1989 in Lake Placid – bei einer Temperatur von minus 31 Grad (Siegerin: Constanze Moser/D).

– Erfolgreiche Eisläuferinnen, die zugleich im Radsport Triumphe feierten, waren u.a. Christa Rothenburger, Sheila Young (USA) oder Sylvia Burka (Kanada).

– „Totale Triumphe“ (Siege auf allen Einzel-Strecken) bei Olympia feierten im Eisschnelllauf 1964 Lidija Skoblikowa und 1980 Eric Heiden.

– Die erfolgreichsten Nationen bei Mehrkampf-WM im Eisschnelllauf (offizielle und inoffizielle WM seit 1889 bis 2005) – Herren: 1. Norwegen: 40 Titel 2. Holland: 27 Titel 3. Russland: 12 Titel 4. Finnland: 10 Titel 5. USA: 7 Titel 6. Schweden: 4 Titel 7. Kanada: 1 Titel 8. Ungarn: 1 Titel 9. Italien: 1 Titel 10. Lettland: 1 Titel / Frauen: 1. Russland: 24 Titel 2. Deutschland: 22 Titel 3. Holland: 7 Titel 4. Norwegen: 4 Titel 5. Finnland: 2 Titel 6. Kanada: 2 Titel 7.USA: 2 Titel 8. Ungarn: 1 Titel

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