Interview mit der Weitspringerin Bianca Kappler über Sport und BUGA

„In Schwerin muß es zur Zeit ja traumhaft sein …“

LADie Leichtathletik-WM 2009 in Berlin im Blickfeld: Nachgefragt bei Weitspringerin Bianca Kappler

LABianca Kappler ist Jahrgang 1977, gebürtige Hamburgerin und kann ein abgeschlossenes Studium für Französisch/Germanistik an der Universität Hamburg vorweisen. Seit 2003 ist sie Sport-Profi und war 2004 auch Olympia-Teilnehmerin.

> Frage: Frau Kappler, es gibt zwei sportliche Karrieren und damit zwei Athletinnen, deren Entwicklung in den letzten Jahren ungemein bewegte: Einerseits jene der Skisportlerin Maria Riesch und anderseits Ihre eigenne …
Sie präsentieren sich zwar in völlig unterschiedlichen Sportarten und dennoch verkörpern Sie beide etwas, was für jeden echten Sportfan wichtiger ist als Goldmedaillen: nie endenden Kampfgeist und eisernen Willen.

Während Maria durch ihre schwere Verletzung kurz vor Turin 2006 ihre Olympiaträume begraben musste, erging es Ihnen nach dem Achillessehnenriss 2008 vor Peking ähnlich …

Aber weder Maria noch Sie gaben auf, im Gegenteil: Weiter kämpfen war bzw. ist angesagt.
Maria wurde nun Weltmeisterin in Val d`Isere. Wie geht es Ihnen nach Ihrer Verletzung im letzten Jahr, nach der verpassten Olympia-Teilnahme ? Wie verläuft der Prozess der Genesung, kann man, darf man mit Ihnen zu den WM in Berlin wieder rechnen ?

Bianca Kappler– Bianca Kappler: Ich hatte mir ja einen Achillessehnentotalabriss zugezogen – der absolute Horror, die absolute Höchststrafe für einen Sportler. Aber mittlerweile ist es so, dass sich mein Trainingsniveau nicht mehr von früheren Zeiten unterscheidet. Unmittelbar nach der Verletzung war ich natürlich auf einem mentalen Tiefpunkt, aber ich bin eine Kämpferin und bin wieder aufgestanden.

Inzwischen ging ich auch bei den deutschen Hallenmeisterschaften an den Start und das, obwohl die Vorbereitung bis dahin alles andere als optimal und langfristig war. Vor Turin 2006 fühlte ich ungemein mit Maria Riesch. Als Sportlerin kann ich natürlich nachempfinden, was es bedeutet, wenn eine Sportkollegin durch eine Verletzung um die Teilnahme- oder Medaillen-Chancen an einem wichtigen Wettbewerb gebracht wird.

Aber ist man erst einmal selbst in der Situation, ist es viel schwieriger. Im ersten Moment ist man geschockt, tief traurig und muß erst wieder aufstehen. Aber gelingt es, jedenfalls mir ist es gelungen, kann man  zu alter Stärke zurückfinden. Ich freue mich, dass es für Maria noch eine Gerechtigkeit gab und sie Weltmeisterin werden konnte. Mal schauen, wie es bei mir laufen wird.

Die Norm für die WM ist ja vom DLV mit 6,72 Meter relativ hoch angesetzt worden, hätte bei Olympia in Peking für den 6.Platz gereicht. Diese Weite muß erst einmal gesprungen werden. Aber ich möchte natürlich sehr gern in Berlin dabei sein.

> Frage: Bianca, Sie sind zugleich eine ungemein faire Sportlerin. Als bei den Hallen-EM 2005 für Sie eine exorbitante Weite gemessen wurde (6,96 Meter) , gingen Sie zum Kampfgericht und sagten, dass dieses ein Irrtum, ein technischer Fehler der Weitenmessung sein müsse, denn sie können gar nicht so weit springen.

Die Video-Analyse bestätigte den Verdacht. Sie erhielten damals zusammen mit der Rumänin Adina Anton Bronze. Bedeutet Ihnen Fairness mehr als (Medaillen-)Ruhm  ? Gehören Sie damit zu einer aussterbenden sportlichen Spezies, der Aufrichtigkeit und Werte noch etwas bedeuten ?

Fünf-Seen-LaufIn anderen Sportarten, aber auch in der Leichtathletik selbst, sowie in der Gesellschaft allgemein herrscht ja inzwischen ein eher „ein raues Klima“ …

– Bianca Kappler: Na ja, ich möchte nun nicht als heroisch denkende Sportlerin dargestellt werden. Ich bin  eben so erzogen worden – zu Gerechtigkeit und zu Aufrichtigkeit. Ich konnte damals sehr gut einschätzen, dass ich die Weite nicht gesprungen bin und habe für mich sofort entschieden: „Das musst Du klar stellen“. Ich habe überhaupt nicht überlegt. Es war eine spontane Entscheidung.

Wäre sie es nicht gewesen, dann hätte man mir zu Recht Kalkül vorwerfen können. Mir war aber sofort klar: „Die von der Weitenmessung angegebene Leistung bist Du nie und nimmer gesprungen“. Und ich möchte nichts haben, was ich nicht verdient habe. Ich möchte nichts geschenkt bekommen. Ich trainiere und arbeite hart und hätte es auch als zutiefst unfair gegenüber den Konkurrentinnen empfunden, die auch viel Entbehrungen für den Sport auf sich nehmen.

Wenn ich die offizielle Weite so akzeptiert hätte, mit dem Wissen, dass diese nicht real ist, dann hätte ich mein Spiegelbild nicht mehr ertragen.
Die damalige Auszeichnung, der „Fairplay-Pokal“ des Internationalen Olympischen Komitees, bedeutet mir daher sehr viel. Dieser beweist: Im Sport zählt eben doch auch der Charakter ! Wenn ich auf diese Weise Vorbild sein darf, so bin ich es gern.

Laufen> Frage: Seit drei Jahren sind Sie Mutter einer kleinen Tochter. Sind Sie dadurch gelassener ? Sportlerin und Mutter zu sein, geht das „so einfach“ ?

– Bianca Kappler: Oh, nein. Einfach ist es ganz und gar nicht. Wenn ich nun „ja“ sagen würde, wäre es ungerecht gegenüber den Müttern, die das nicht schaffen. Und geschafft habe ich es nur, weil ich einen lieben Mann habe, der die Betreuung der Kleinen mit übernahm. Keine Selbstverständlichkeit !

Zum Training habe ich meine Tochter zwar auch schon mitgenommen, aber Training ist für mich der Job, harte Arbeit. … Wer nimmt aber in anderen Berufen sein Kind schon zur Arbeit mit ? Das geht ganz einfach nicht und das ist auch herzlos gegenüber dem Kind. Wenn es schon bei der Mutter ist, dann sollte sich diese auch zu 100 % um den Nachwuchs kümmern und ihn nicht irgendwo in einer Ecke platzieren. Ich sage es ganz deutlich, ohne meinen verständnisvollen Mann hätte ich es nicht geschafft.

Außerdem: Meine Tochter ist immer in Bewegung, gehört nicht zu den Kindern, die still und ruhig rumsitzen. Wäre auch gar nicht möglich bei den Genen einer Weitspringerin und eines Zehnkämpfers !
Und beim Weitspringen kann ich meine Tochter schlecht umbinden – ein Känguruh bin ich nun auch wieder nicht ..:)

> Frage: Der Sport war bzw. ist ein Hauptbestandteil Ihres Lebens. Olympia 2012 dürfte für Sie ein durchaus reizvolles Ziel sein … Wie wird „irgendwann“ Ihr Leben ohne Sport aussehen ? Gibt es schon Pläne ?

Bianca Kappler: Sport und Hauptbestandteil – sehr große Worte. Ja, ich bin gern Weitspringerin, ich mag meinen Sport, für den ich viele Entbehrungen auf mich nahm bzw. nehme, der mir mehr schöne als traurige Stunden bescherte. Sport ist für mich sehr wichtig. Ob ich in London 2012 noch dabei sein werde, das ist sehr sehr schwierig zu sagen.

Schaue ich mir die Wettkampflisten an, so stelle ich fest, dass ich mittlerweile zu den „reiferen“ Weitspringerinnen gehöre. Ich entscheide von nun an von Saison zu Saison. Mein Trainer, der mich seit 6 Jahren betreut, kennt meine Stärken und Schwächen. Mit ihm stimme ich mich ab.

Wie das Leben nach dem Leistungssport aussehen wird ?! Mal sehen.. Ich habe ein abgeschlossenes Studium der Erziehungswissenschaften mit der Fachkombination Französisch/Germanistik. Im pädagogischen Bereich tätig zu werden – das könnte ich mir durchaus vorstellen … (Anmerkung: Und viele Schüler sicherlich ebenfalls 😉 )

> Frage: Sie sind gebürtige Hamburgerin, starten für Rehlingen. So weit ist das ja nicht von Meck-Pomm entfernt. Sind Sie öfter im Land der „Fischköppe und Ochsen“, die zur Zeit die BUGA feiern ?

BUGASchloss– Bianca Kappler: Ehrlich gesagt, in Meck-Pomm war ich nur einmal – vor langer, langer Zeit. Mit einer Trainingsgruppe waren wir von Hamburg nach Schwerin gereist. Schwerin ist wirklich eine schöne und sympathische Stadt, in der man gut Verweilen und Flanieren kann. Und jetzt sogar in einem Meer aus Rosen, Tulpen und Orchideen – wow, das muß dort zur Zeit ja traumhaft sein …

(Anmerkung: Ist es – allen notorischen BUGA-Kritikern vor Ort zum Trotz – auch …)

Marko Michels

Foto: 1.Bianca Kappler (DKB), Deutschlands beste Weitspringerin. / 2.Leichtathletik und Schwerin gehören zusammen, feierten hier doch u.a. Speerwerfer Walter Krüger, Diskuswerfer Jürgen Schult, Hochspringer Gerd Wessig oder Zehnkämpfer Torsten Voss ihre größten Erfolge. Hier: Impression vom traditionellen Fünf-Seen-Lauf, auch 2009 innerhalb der BUGA ein Höhepunkt. (P.Bohne) / 3.Beim Schwedenlauf jeweils im August eines Jahres in Wismar dürfen auch die Kids ran. M.M. / 4./5..Zur BUGA erblüht Schwerin samt Schloss. M.M.

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