Peking – zwischen Olympia und Paralympia 2008

Mit Schwimm-Trainerin Dörte Paschke im Gespräch

 

St.NimkeWährend der (Olympia-)sieglose „Fluch“ in Peking 2008 nach dem Gold-Jubel der Miltary-Mannschaft, von Hinrich Romeike auf Marius im Military-Einzel, durch Judo-Kämpfer Ole Bischof im Halbmittelgewicht und Kanu-Slalom-Fahrer Alexander Grimm mittlerweile „gebannt“ ist, sollte mit diesem neuen olympischen „Schub“ z.B. auch die Rostocker Ruderer um Marie-Louise Dräger & Co., die Neubrandenburger Kanu-Rennsportler  Andreas Dittmer sowie Martin Hollstein sowie Schwerins Rad-Ass Stefan Nimke, dessen Entscheidungen im Teamsprint bzw. Einzel-Sprint sind am 15. bzw. 19.August,  „guten Mutes“ in ihre Entscheidungen gehen.

Optimistisch für die kommenden Herausforderungen im September dürften auch die paralympischen Starter aus M-V sein, u.a. sind die Judo-Schwestern Carmen und Ramona Brussig (Schwerin), die Leichtathletin Jana Schmidt (Waren/Müritz), der Ruderer Marcus Klemp (Ribnitz) und die Goalballspielerin Natalie Ball (Greifswald) in Peking am Start.

N.Brussig (re.)Dabei kann M-V auf eine gute Tradition bei den Paralympics zurückblicken: Die aus Ueckermünde stammende Marianne Buggenhagen, achtfache Paralympia-Siegerin zwischen 1992 und 2004, der Diskuswerfer Klaus Kulla (Grabow), 1996 Bronze und 2004 6.Platz, der Greifswalder Badminton-Spieler Christian Bahls, mit Mannschafts-Gold 1992, die bereits erwähnte Judoka Ramona Brussig, Goldmedaillen-Gewinnerin 2004  mit Gold-Ambitionen ebenfalls 2008, und Rollstuhl-Fechterin Daniela Rossek (in Waren/Müritz geboren), die ganz umstritten nicht für Peking nominiert wurde, u.a. 2004 Rang fünf mit der Degen-Mannschaft belegte und bei den Paralympics 2008 zumindest als Repräsentantin bzw. Reporterin für „Radio4Handicaps – das Radio für barrierefreie Köpfe“ tätig ist, sorgten dafür, dass M-V auf beeindruckende paralympische Triumphe verweisen.

Auch Natalie Ball, die 2008 im Goalball startet, war in der Vergangenheit  eine eifrige paralympischen Medaillen-Sammlerin aus M-V-Sicht. In Athen 2004, als Schwimmerin qualifiziert, gewann sie dreimal Silber und einmal Bronze.

Betreut wurde sie damals übrigens von Dörte Paschke, u.a. Landestrainerin M-V für das paralympische Schwimmen.
Diese trainiert mit Torben Schmidtke und Mario Hartmann zwei sehr talentierte Schwimmer, die durchaus bei den Paralympics 2012 in London dabei sein könnten.

Interview mit Dörte Paschke

Gestiegene Akzeptanz des paralympischen Schwimmens …

D.Paschke und ihre SchützlingeFrage: Frau Paschke, Sie sind u.a. seit 2002 Co-Trainerin beim DBS für den Bereich Schwimmen und seit 2003 Landestrainerin für das paralympische Schwimmen am Landesleistungszentrum „Sport mit Handicap“ in Greifswald.
Wie beurteilen Sie die Akzeptanz und Entwicklung des paralympischen Sportes, speziell des Schwimmsportes, in M-V ?

Dörte Paschke: In MV ist die Akzeptanz des paralympischen Schwimmens in den letzten Jahren gestiegen. Besonders in Greifswald wurde unter anderem durch die Erfolge von Natalie Ball das Behindertenleistungsschwimmen bekannter.
Allerdings gibt es im gesamten Land noch viele Reserven. Die paralympischen Schwimmer haben trotz ihrer Erfolge mit der gleichberechtigten Betrachtung ihrer Leistungen gegenüber den nichtbehinderten Leistungssportlern zu kämpfen, obwohl sie seit einigen Jahren den gleichen Trainingsaufwand betreiben, wie alle anderen Schwimmer. Positiv wirkte sich die Berufung des Landesleistungszentrums in Greifswald und die Schaffung von drei Lehrer-Trainer-Stellen in Schwerin, Neubrandenburg und Schwerin aus.
Langfristiger Leistungsaufbau beginnt im Nachwuchsbereich und dort setzen wir in MV derzeit im paralympischen Schwimmen den Schwerpunkt. Bedingt durch die Schwimmhallensituation im Land ist dies allerding schwierig, da an allen Stützpunktorten die Hallenkapazitäten ausgereizt sind und MV mit nur einer 50m-Halle im Bundesmaßstab Schlusslicht ist. Außerdem fehlen immer wieder finanzielle Mittel, um die Teilnahme von mehr Nachwuchssportlern an Wettkämpfen und speziellen Trainingsmaßnahmen zu ermöglichen.

Frage: Ihre beiden Schützlinge Torben Schmidtke und Mario Hartmann lagen lange Zeit auch aussichtsreich im Rennen um die paralympischen Tickets 2008 im Schwimmsport. Wie beurteilen Sie deren künftige Erfolgsaussichten ? Wie beurteilen Sie das gegenwärtige Leistungspotential der beiden Schwimmer ?

Dörte Paschke: Beide Sportler haben mehrere internationale Paralympics-Normen des IPC (International Paralympic Commitee) erreicht. Mario hat die strengere deutsche Norm um eine Zehntelsekunde verpasst, was besonders ärgerlich war. Beide Sportler sind noch jung und haben sehr gute Aussichten, sich positiv weiter zu entwickeln. Sie sind beide fester Bestandteil der Nationalmannschaft. Ihr Trainingspensum wird sich im nächsten Jahr durch Umstrukturierungen im Greifswalder Sportverein nochmals erhöhen und hoffentlich Früchte tragen. Nächstes Ziel ist die Teilnahme an der Kurzbahn-WM im Herbst 2009 in Brasilien.

Frage: Eine gute Bekannte in Greifswald ist auch Kirsten Bruhn, Erfolgsschwimmerin mit Handicap aus Neumünster und z.B. Paralympia-Siegerin 2004 über 100 Meter-Brust. Was zeichnet Kirsten Bruhn, die in Deutschland viel zur Akzeptanz des paralympischen Sportes beiträgt, aus Ihrer Sicht aus ?

Dörte Paschke: Kirsten Bruhn ist ein Vorbild für alle Leistungsschwimmer, nicht nur im Behindertenbereich. Als Botschafterin des IPC hat sie inzwischen bei vielen Veranstaltungen die Fahnen des Behindertenleistungssports ganz hoch gehalten und umfangreiche Aufklärungsarbeit für die Gleichbehandlung der Behindertenleistungssportler geleistet. Durch ihre offene freundliche Art, ihren Lebensmut und ihre Fähigkeit, den Begeisterungsfunken für das Leistungsschwimmen überspringen zu lassen, trug sie dazu bei, dass in den letzten vier Jahren nach Athen das Interesse für die Leistungen der Sportler mit Handicap stark gestiegen ist.

Frage: Das Landesleistungszentrum Greifswald ist eine moderne Einrichtung, die deutschlandweit vorbildlich ist. Wird insgesamt genügend, auch seitens der Politik und Verbände, für die Förderung und Unterstützung des paralympischen Sportes getan ?

Dörte Paschke: Auf Landesebene sind wir derzeit weiter als auf Bundesebene.
Durch die stark veralteten Strukturen des Deutschen Behindertensportverbandes wird das angestrebte Entwicklungstempo immer wieder gebremst. Vor allem mit der notwendigen Professionalisierung des
Behindertenleistungssports werden mehr Gelder benötigt, um das Ganze zu finanzieren. Das beginnt bei der Schaffung bzw. Aufrechterhaltung von hauptamtlichen Trainerstellen, der Förderungsmöglichkeiten für die Sportler und der Schaffung von vorteilhaften Strukturen.

Frage: Seit 9.August geht es um Medaillen bei den „Olympics“, ab 6.September werden dann die „Paralympics“ ausgetragen. Wie schätzen Sie – aus Ihrer persönlichen Sicht- das internationale Leistungsniveau sowohl im olympischen als auch im paralympischen Schwimmsport ein ? Wie beurteilen Sie die Chancen von Natalie Ball, 2004 noch erfolgreiche Schwimmerin, nun im Goalball am Start, in Peking ?

Dörte Paschke: Das ist eine schwierige Frage. Die derzeitigen schwimmerischen Leistungen in Peking im Nichtbehindertenbereich lassen viele Fragen aufkommen. Die Analyse des schlechten Abschneidens des DSV wird im September in Göttingen stattfinden. Im paralympischen Bereich haben bereits
viele Verbände wie Australien, Canada, Großbritannien, Spanien, USA und sogar Brasilien umfangreiche Fördermöglichkeiten, die denen im Nichtbehindertenbereich gleichen. Oft sind die erfolgreichen Nationen in einem einzigen Fachverband organisiert, egal ob Behinderte oder Nichtbehinderte. Derzeit ist die Entwicklung z.B. im Schwimmbereich derartig rasant voran geschritten, dass sich die Deutschen auch in diesem Bereich warm anziehen müssen.

Zu Natalie habe ich immer noch regelmäßigen Kontakt. Vor ihren Schwimmerfolgen war sie ja bereits Goalballnationalspielerin. Um allerdings das hohe Trainingspensum im Schwimmen zu bewältigen, musste sie sich damals zwischen Goalball und Schwimmen entscheiden. Nur so konnte sie in Athen 4 Medaillen erschwimmen. In Brasilien ist die deutsche Goalballmannschaft der Frauen 2007 Weltmeister geworden. Ich hoffe, sie können diesen Erfolg mit einem Paralympicssieg bestätigen. Für Natalie und ihr Team drücke ich fest die Daumen.

Marko Michels

F.: M.M. (2), D.Paschke/privat (1)

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