Rad-WM 2007: Von Drais bis Nimke …

Vom 26.September 2007 bis 30.September 2007 finden die Rad-WM in Stuttgart statt – Schwerin mit „langjähriger Rad-Erfahrung“ …

Logo Rad-WMTrotz der intensiven wie extensiven Doping-Praxis zwar nicht nur, aber doch insbesondere im Straßen-Radsport wird es dennoch die 86. Weltmeisterschaften in dieser Sportart in der „Schwaben-Metropole“ geben.

Eigentlich standen diese Welttitelkämpfe kurz vor der Absage, aber letztendlich entschieden sich die Verantwortlichen doch für Massenspektakel und Geld (was mit einem solchen „event“ immer in eine Stadt fließt) und gegen die sportive Moral.

Ein „Innehalten“, eine einjährige WM-Pause, nach den zahlreichen Doping-Geständnissen und Doping-Diskussionen hätte wohl dem Straßenradsport eher gut getan. Aber so heißt es: „Die Rad-Show muß weiter gehen !“.

Fragt sich nur, wohin …

Zumindest sollte man, wenn auch „naiverweise“, es mit der Unschuldsvermutung halten, dass eben die Mehrheit der Radler und Radlerinnen „clean“ ist.

Dass das Interesse am Radsport nach wie vor ungebrochen ist, beweist die Anzahl der teilnehmenden Nationen: 63 Länder haben für die Wettkämpfe, in den Straßeneinzel-Entscheidungen (Männer/Frauen) und Zeitfahr-Konkurrenzen (Männer/Frauen) sowie bei den U 23-Wettbewerben (Männer/Frauen), gemeldet.

1927 auf dem Nürburgring fanden die ersten Profi-Titelkämpfe statt, nachdem seit 1896 bei Olympia bereits um Gold und Medaillen geradelt wurde.

Alfredo Binda aus Italien war dabei der erste Profi im Straßenradsport, der einen WM-Titel gewann.

1921 hatte allerdings der Schwede Gunnar Skjöld den allerersten WM-Titel im Straßen-Einzelrennen der Amateure geholt.

Auch die Deutschen feierten in der Folgezeit ihre Rad-Helden – nicht erst mit den Erfolgen des in die (Doping-)Schlagzeilen geratenen Jan Ulrich 1993 (Amateur-Weltmeister/Straße) bzw. 1999/2001 (Zeitfahr-Weltmeister).

Heinz Müller erkämpfte 1952 den ersten WM-Titel auf der Straße (Profis). Es folgten Rad-Legende Täve Schur (1958/59), Bernhard Eckstein (1960), Bernd Drogan (1982), Uwe Raab (1983), Uwe Ampler (1986) und Olaf Ludwig (1988, gleichzeitig Olympiasieg) jeweils im Straßen-Einzel bei den Amateuren.

Unvergessen bleibt auch der WM-Titel (Profis) für Rudi Altig auf dem Nürburgring 1966; D.Thurau schrammte dann 1977 und 1979 ganz knapp an diesem Triumph vorbei.

Täve SchurTäve Schur bleibt jedoch das gesamtdeutsche Rad-Idol. Er war nicht nur bei den Amateur-WM erfolgreich; er gewann auch zweimal die Friedensfahrt 1955/59.

Bei Olympia gab es für ihn 1956 Bronze im Team und 1960 Silber mit der Mannschaft. Der 1931 in Heyrothsberge geborene Gustav-Adolf Schur begann 1949 mit dem Radsport und gehörte bis 1964 zur absoluten Weltklasse im Straßen-Radsport.

Noch 1989 wurde er zum „besten und populärsten DDR-Sportler aller Zeiten“ gekürt.

Ungeachtet aller Erfolge für Täve & Co.: Die deutschen Frauen hielten aber dagegen.

So konnte Elisabeth Eichholz 1965 im Straßen-Einzel gewinnen – ebenso wie Beate Habetz 1978, Ute Enzenauer 1981, Judith Arndt 2004 oder Regina Schleicher 2005.

Trixi Worrack fuhr 2006 ebenfalls knapp am Sieg vorbei.

Deutsche WM-Titel in den Mannschaftswettbewerben (Männer) auf der Straße gab es noch 1979, 1981 und 1989.

Doch was erwartet die männliche und weibliche Rad-Elite von Stuttgart 2007 ?!

Für die niederländische Titelverteidigerin Marianne Vos, erst 19 Jahre, steht der erneute WM-Titel im „Fokus“ des Interesses.

„Dieses Jahr war fast noch besser als 2006. Ich habe bei der erfolgreichen EM gezeigt, dass es geht, dass man einen Titelgewinn wiederholen kann, auch wenn die Konkurrenz noch wachsamer auf einen blickt. Das gleiche will ich auch in Stuttgart probieren.“, gibt sich die „fliegende Holländerin“ selbstbewußt.

Mit der Streckenführung ist die internationale Konkurrenz anscheinend ebenfalls zufrieden.

„Die Steigungen sind ruppig, aber nicht zu lang. Es gibt viele Möglichkeiten zu attackieren.“, meint Australiens „Bronzene“ von 2005, Oenone Wood.

Die Britin Nicole Cook, Dritte von 2006, ist ebenfalls ein wenig euphorisch: „Ich komme auf dieser Strecke gut zurecht und rechne mir einiges aus !“.

Die deutschen Damen dürften nach zweimal Gold und einmal Silber in den letzten drei Jahren zu den heißen Medaillen-Anwärterinnen zählen, denn Judith Arndt, Hanka Kupfernagel oder Trixi Worrack haben ihre (Medaillen-)Klasse schon mehr als einmal bewiesen !

Ein Belgier gehört bei den Herren zu den Top-Favoriten: Tom Boonen. Dieser könnte die beeindruckende Erfolgsbilanz im Straßenradsport für das kleine Benelux-Land weiter fortschreiben. Auch der Spanier Oscar Freire hegt „goldene Absichten“.

Eric Zabel, zuletzt Vize-Weltmeister 2006 und trotz seines Doping-Geständnisses in Stuttgart am Start, hat ebenfalls gute Erfolgs-Chancen. Ansonsten dürften Italiener, Franzosen oder Amerikaner zu den weiteren Erfolgsaspiranten zählen.

Im Zeitfahren gehören die US-amerikanischen Radsportlerinnen und -sportler zu den traditionellen Favoriten. Bei den WM 2006 gab es bei den Herren Silber (Zabriskie) und bei den Damen sogar Gold (Armstrong).

Aus deutscher Sicht will Sebastian Lang im Rad-Zeitfahren um die Medaillen mit kämpfen, was zudem der Schweizer WM-Sieger 2006 Fabian Cancellars oder der Australier Michael Rogers auch wollen.

Die Schweizerin Karin Thürig könnte bei den Damen dieses Mal „ganz oben“ stehen: Dieses Gefühl kennt sie allerdings schon aus den Jahren 2004 und 2005.

– Unerreicht wird in Stuttgart auf jeden Fall eine Radsportlerin: Die weibliche Rad-Legende Jeanne Longo, auf Straße und Bahn dreizehnfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin 1996, wird wohl so schnell in ihrer Bilanz nicht erreicht werden.

Aber zunächst bleibt die Hoffnung auf saubere und hochklassige Rad-Wettbewerbe in Stuttgart – mit der „einen oder anderen Medaille“ für Deutschland …

– Der Zeitplan – die wichtigsten Wettbewerbe –

– 26.9.07 – Zeitfahren/Elite/Frauen, ab 13 Uhr
– 27.9.07 – Zeitfahren/Elite/Männer, ab 12.30 Uhr
– 29.9.07 – Straße/Elite/Frauen, ab 9 Uhr
– 30.9.07 – Straße/Elite/Herren, ab 10.30 Uhr

Die „ewigen WM-Medaillenspiegel“ im Straßenradsport

Nation-Gold-Silber-Bronze

> Profis/Straßen-Einzel/Männer (1927-2006)

1. Belgien: 25-11-10
2. Italien: 17-19-16
3. Niederlande: 6-4-6
4. Spanien: 5-5-8
5. Schweiz: 3-5-4
6. Deutschland 2-7-4

> Amateure/Straßen-Einzel/Männer (1921-1995, seitdem nicht mehr ausgetragen)

1. Italien: 19 x Gold, 2. Deutschland: 8 x Gold, 3.Frankreich/Niederlande: je 7 x Gold, 5. Belgien: 5 x Gold, 6. Dänemark/Polen/Schweiz: je 4 x Gold

> Zeitfahren/Männer (1994-2006)

1. Großbritannien: 4-2-2
2. Deutschland: 2-4-3
3. Spanien: 2-3-1
4. Schweiz: 2-0-2
5. Ukraine: 1-1-1
6. Kolumbien: 1-0-1

> Team/Straße/Männer (1962-1994, seitdem nicht mehr ausgetragen)

1. Italien: 7 x Gold, 2. Russland: 5 x Gold, 3. Schweden: 4 x Gold, 4. Deutschland: 3 x Gold, 5. Polen: 2 x Gold

> Straßen-Einzel/Frauen (1958-2006)

1. Frankreich: 9-5-2
2. Niederlande: 8-7-5
3. Belgien: 6-5-4
4. Deutschland: 5-1-4
5. Russland: 3-7-11
6. Großbritannien: 3-3-3
(Anm.: In den Jahren 1984, 1988 und 1992 nur Vergabe des Olympiasieges an die Damen, der nicht gleichzeitig WM-Titel war ! Die Olympiasiegerinnen in diesen Jahren: 1984-Connie Carpenter/USA, 1988-Monique Knol/NED sowie 1992 Kathryn Ann Watt/AUS.)

> Zeitfahren/Frauen (1994-2006)

1. Frankreich: 4-2-1
2.USA: 3-0-2
3. Schweiz: 2-3-1
4. Niederlande: 2-0-0
5. Russland: 1-2-2
6. Spanien: 1-1-1

> Team/Straße/Frauen (1987-1994, seitdem nicht mehr ausgetragen)

1. Russland: 4 x Gold; ein Titel u.a. auch an USA,Italien, Frankreich

 

EXKURS

Von Drais bis Nimke – Schweriner Radsport-Traditionen

Die Geburtsstunde des Radsportes allgemein schlug mit dem Patent, das sich Freiherr von Drais am 4.Januar 1818 auf seine Maschine, ein Sitzgestell mit zwei Laufrädern, das man mit den Füßen in Bewegung setzte, geben ließ.

Aus dieser „Lauf- und Rollenmaschine“ wurde das Fahrrad, zunächst das Hochrad, dann, mit der Erfindung der Antriebsverlegung auf das Hinterrad, das sogenannte Niederrad, und wiederum mit der Erfindung des Luftreifens das moderne Fahrrad.

Im Jahr 1869 fand dann in Deutschland das erste „Veloziped-Wettrennen“ in Altona statt. Dort entstand auch als erster deutscher Radsport-Verein der „Altonaer Bicycle Club“.

15 Jahre später, 1884, gründete sich der „Deutsche Radfahrverband“.

Das erste deutsche Radsport-Idol war August Lehr. Er gewann u.a. die internationalen Meisterschaften von 1889 in London, die auf deutschen Antrag hin als Weltmeisterschaft anerkannt wurden. Noch 1894 wurde Lehr Weltmeister !

Nimke
Foto: M. Michels

Dem Vorbild Lehrs wollten viele Schweriner nacheifern. Im Jahr 1886 wurde der „Schweriner Radfahr-Verein“ gegründet; am 23./24.Juni 1888 feierte der Verein mit der „Vereinigung der Mecklenburgischen Radfahrer“ sein Stiftungsfest. Im Olympiajahr 1896 bekam der Verein innerstädtische Konkurrenz mit dem Rad-Klub „Greif zu“.

Drei Jahre später, 1899, gründete sich noch ein radsportlicher Verein in Schwerin – die „Wanderer“, dem die Mitglieder von „Greif zu“ beitraten.

Im Jahr 1909 kam noch der Radsport-Klub „Sport“ dazu, der allerdings keine größere Bedeutung hatte.

Bis 1926 gab es beim Schweriner Rad-Verein „Wanderer“ insgesamt 100 Mitglieder.

In den Folgejahrzehnten hatte der Radsport auch weiterhin in Schwerin eine feste Heimat …

Nach der Wende 1989/90 wurde in Schwerin u.a. das traditionsreiche „Pfaffenteich-Rennen“ der Radsportler einige Zeit wiederbelebt.

Und seit Ende der 1990er Jahren sorgt insbesondere Stefan Nimke bei WM, Weltcup oder Olympia für internationales Edelmetall aus Schweriner Sicht !

 

Marko Michels

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